Die zweite Clijsters ist die Frontfrau im Welt-Tennis

Melbourne. Die "Horror-Stunden" vor ihrem ersten Australian-Open-Endspiel hat Kim Clijsters "nie vergessen". Es war im Jahr 2004, sie spielte gegen ihre alte Weggefährtin Justine Henin, und die Nacht vor dem Finale war "irgendwie die Hölle": "Ich bekam kein Auge zu

Melbourne. Die "Horror-Stunden" vor ihrem ersten Australian-Open-Endspiel hat Kim Clijsters "nie vergessen". Es war im Jahr 2004, sie spielte gegen ihre alte Weggefährtin Justine Henin, und die Nacht vor dem Finale war "irgendwie die Hölle": "Ich bekam kein Auge zu. Die Furcht vor der eigenen Blamage war größer als die vor Justine", sagt die Belgierin, die damals in drei Sätzen verlor.

Als sie Samstagnacht den Daphne-Akhurst-Pokal ins Blitzlichtgewitter der Fotografen hielt, nach dem 3:6, 6:3, 6:3-Erfolg gegen die Chinesin Li Na, lagen nicht nur sieben Lebensjahre zwischen Scheitern und Sieg - sondern auch ein zwischenzeitliches Karriereende, der Tod von Vater Leo Clijsters, die Heirat mit dem früheren Basketballprofi Bryan Lynch, die Geburt von Tochter Jada und die Rückkehr in den Tenniszirkus. Und, nicht ganz zu vergessen: drei Grand-Slam-Titel in diesem zweiten Leben auf der Tour. "Mit 20 Jahren war ich noch ein Kind in diesem Geschäft. Ein Kind, das nicht wirklich wusste, wie man erfolgreich sein kann", sagt Clijsters, "heute, mit meiner ganzen Lebenserfahrung, habe ich die nötige Reife und die Abgeklärtheit".

Alter schützt eben ganz und gar nicht vor Triumphen in einer Tennisära, für die Clijsters wie eine Ikone dasteht: Nicht Wunderkinder und Teenager beherrschen die Champions League dieses Sports, sondern eine kluge und routinierte Altmeisterin. Mag die Weltrangliste die neue Australian-Open-Königin auch als Nummer zwei führen hinter Caroline Wozniacki: In Wahrheit ist Clijsters, die 27-jährige Flämin mit dem gewinnenden Naturell, die gegenwärtige Frontfrau des Tennis. Drei der letzten sechs Major-Turniere hat Clijsters gewonnen, die US Open und die Australian Open nun sogar hintereinander, dazu holte sie sich Ende Oktober 2010 auch noch die WM-Trophäe in der Wüste von Katar. "Als sie aufhörte, vor vier Jahren, hatte sie nur einen großen Titel", sagt Clijsters' Trainer Wim Fissette am Samstag, "jetzt hat sie vier Majors. Das ist auch das Mindeste, was ihrem Talent entspricht."

Erst seit dem Rücktritt vom Rücktritt ist die Belgierin wirklich bereit für alle Großtaten. "Durch meine Familie, durch mein Leben neben dem Tennis, bin ich viel ausgeglichener geworden. Das hat mir viel von dem früheren Druck genommen", sagt Clijsters. Tatsächlich galt die Blondine früher als Frau, die es wegen ihrer Labilität partout nicht schaffte, ihr immenses Potenzial in Siege umzumünzen. Die ersten vier Grand-Slam-Endspiele ihrer Karriere verlor sie ausnahmslos, erst der Gewinn der US Open beendete 2005 die schwarze Serie. Kurz danach nahm sie sich dann ihre Auszeit vom Tennis, ein gut zweijähriges Sabbatical. Neue Prioritäten bestimmten ihr Leben, auch die Pflege des schwer kranken Vaters Leo. Vor seinem Tod riet der ehemalige Profifußballer seiner Tochter, es ruhig noch einmal zu versuchen im Tennis.

Wozu alle Erfahrung einer so wechselvollen Karriere gut ist, war im nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtigen Endspiel gegen Chinas Tennis-Pionierin Li Na eindrucksvoll zu sehen: Einst ein flatterhaftes Tennismädchen ohne mentale Standfestigkeit, bog die gefestigte Clijsters die verloren geglaubte Partie energisch um. Schaltete ab Mitte des zweiten Satz entschlossen auf Attacke um, spielte hohes Risiko. Und strahlte schließlich über den Sieg. Nur die große Margaret Court-Smith (Australien) hatte es einmal in einer ganz anderen Tennis-Epoche geschafft, auch drei Toptitel als tüchtige Tennismutter zu gewinnen.

Auf einen Blick

Novak Djokovic (Foto: dpa) hat zum zweiten Mal die Australian Open gewonnen. Der serbische Tennis-Profi siegte gestern in Melbourne im Finale gegen den Schotten Andy Murray locker mit 6:4, 6:2, 6:3 und wiederholte damit seinen Erfolg von 2008. Murray wartet dagegen weiter auf seinen ersten Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier und verlor auch sein drittes Endspiel bei einer der vier wichtigsten Tennis-Veranstaltungen der Welt. Djokovic tritt die Nachfolge des Schweizers Roger Federer an, den er im Halbfinale selbst ausgeschaltet hatte. Der Davis-Cup-Sieger durfte sich zudem über umgerechnet 1,6 Millionen Euro Preisgeld freuen. dpa

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