Der Senkrechtstarter hat zu kämpfen

Merzig · Adam Matuschyk schaffte in Köln den Durchbruch und wurde polnischer Nationalspieler. Doch in Braunschweig läuft es derzeit nicht.

 Matuschyk (stehend, Mitte) als Kind bei der SpVgg. Merzig. Foto: Verein

Matuschyk (stehend, Mitte) als Kind bei der SpVgg. Merzig. Foto: Verein

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Adam Matuschyk lässt sich so leicht nicht einordnen. Der Fußball-Profi von Zweitligist Eintracht Braunschweig ist vieles zugleich: Saarländer, weil er Merzig seine Heimat nennt. Ein "halber Kölner", weil er zwölf Jahre beim 1. FC Köln verbracht hat. Außerdem begreift sich der 28-Jährige als "Landsmann" von Lukas Podolski, dem kölschen Original, das in Polen zur Welt kam - in derselben Stadt wie Matuschyk.

Aber der Reihe nach: Als Adam Matuschyk im oberschlesischen Gliwice geboren wird, bricht gerade der Ostblock auseinander. 1989 verlassen so viele Polen wie nie ihr Land, auch Georg Matuschyk. Er will nach Deutschland, kommt ins Saarland. Nach zwei Jahren holt der Vater von Adam seine Ehefrau Anna und die beiden Söhne nach Merzig. Der heutige Profi wächst in der Torstraße auf, bei der Spielvereinigung 1910 beginnt er mit dem Fußballspielen. "Mein Heimatverein", sagt Matuschyk.

Sein Talent fällt vielen Clubs auf, mit 14 hat Matuschyk die Auswahl zwischen Bremen, Karlsruhe, Köln und Leverkusen. Auch der 1. FC Saarbrücken will den Jugendspieler des VfB Dillingen haben. Doch: "Köln hat mir auf Anhieb gut gefallen", dort will er hin. Seine Eltern zögern. "Sie wollten mir keine Steine in den Weg legen", sagt Matuschyk: "Auf der anderen Seite war es aufgrund meines Alters keine einfache Entscheidung für sie."

Christoph Henkel kann das Dilemma gut nachvollziehen. "Das ist eine Lebensentscheidung", sagt er. Der frühere Jugendleiter des 1. FC Köln hat selbst drei Kinder. An Matuschyk erinnert er sich bestens: "Adam gehörte zu den Spielern, die sehr jung nach Köln kamen." Henkel und seine Frau nehmen damals bis zu drei Talente auf, als Gastfamilie. Einer dieser Nachwuchsspieler ist Matuschyk, der fünf Jahre bleiben wird - länger als alle anderen. Dann zieht er mit seiner Freundin zusammen.

Es ist eine besondere Zeit, als Matuschyk nach Köln wechselt: 2003 befindet sich der Jugendfußball im Umbruch, überall in der Bundesliga werden Nachwuchs-Leistungszentren aufgebaut. Die Profivereine konkurrieren härter um Talente - und immer früher.

Henkel kann darüber viel erzählen. Das Leistungszentrum in Köln baute der Rheinländer mit auf. Über das "Karriereziel Fußballprofi" hat er ein Buch geschrieben. Darin ist zu lesen, dass sich der Trainingsumfang von Talenten ab dem Jahr 2000 enorm steigert - um ein Drittel. Matuschyk gehört zu den ersten Jahrgängen, die vom neuen Fördersystem profitieren. Fragt man Henkel, wie sein Schützling sich entwickelte, steht der Sport nicht an erster Stelle: "Er hat die Schule durchgezogen, Abitur gemacht, fleißig und beharrlich." Der Experte weiß, wie "enorm schwer" es ist, sich bei den Profis durchzusetzen. Henkel spricht von einer "kleinen Elite".

Ob es jemand schafft, hängt von vielem ab. In Köln lange von Frank Schaefer. Bekannt wird er, weil er 2011 freiwillig als Cheftrainer aufhört - um wieder im Nachwuchs zu arbeiten. "Ein direkter Typ, der mir gut getan hat", sagt Matuschyk über seinen ehemaligen Trainer bei Kölns U23. Mehr noch: In entscheidenden Phasen fungiert Schaefer als sein Fürsprecher. So rückt der Mittelfeldspieler in den Kader der Profis auf.

Als Köln im Februar 2010 in der Bundesliga in Leverkusen antritt, soll Matuschyk erstmals spielen, von Anfang an. Trainer Zvonimir Soldo sagt zu ihm: "Das ist ein ganz normales Fußballspiel." Beide wissen, dass das nicht stimmt. Es ist ein rheinisches Derby, Bayer Tabellenführer - bis zu dieser torlosen Partie. Matuschyk gehört mit einem Mal zu den Stammspielern. "Senkrechter kann man eigentlich nicht starten, und es lief super für uns", blickt er zurück.

Ein Mitspieler, der sich besonders um ihn bemüht, ist Lukas Podolski. "Er war mein großes Vorbild, als ich zum FC kam", sagt Matuschyk. Sie verstehen sich auf Anhieb, unterhalten sich auf Polnisch. Anders als Podolski läuft Matuschyk für Polen auf, macht 20 Länderspiele. Als sich die EM 2012 in Polen und der Ukraine nähert, muss sich der Jung-Profi entscheiden: Soll er beim FC bleiben, ohne regelmäßige Einsätze? Das würde seine Nominierung gefährden. Er lässt sich in die 2. Liga ausleihen, zu Fortuna Düsseldorf. "Es war anfangs komisch, als halber Kölner nach Düsseldorf zu gehen", schließlich ist die Konkurrenz zwischen den Städten legendär. Am Ende der Saison steigt Matuschyk mit Fortuna auf. Und: Er darf zur EM, spielt in Warschau gegen Russland (0:0). Nur fünf Minuten, aber das ist zweitrangig. Während des Turniers fühlt sich Matuschyk "ganz polnisch".

2015 verlässt Matuschyk den 1. FC Köln, nach über 100 Spielen für die Profis. Er wechselt zu Eintracht Braunschweig, "mit dem Ziel, hier viel zu spielen", sagt Matuschyk. Das klappt im ersten Jahr, doch in dieser Saison sieht es nicht gut aus. Bis vor Kurzem spielte er keine Sekunde, am vorletzten Wochenende erstmals - ein paar Minuten. Ein Zeichen, dass es besser wird? Schwer einzuordnen.

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 Braunschweigs Adam MatuschykLocation:Bielefeld

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Foto: dpa

Von Merzig in die 2. Liga nach Braunschweig Adam Matuschyk, geboren am 14. Februar 1989 im polnischen Gliwice, wuchs in Merzig auf. Er spielte in der Jugend für die SpVgg. Merzig und für den VfB Dillingen. Mit 14 Jahren entschied sich Matuschyk für einen Wechsel ins Leistungszentrum des 1. FC Köln, bei dem der Mittelfeldspieler bis zur U23 alle Nachwuchsteams durchlief. Zwischen 2010 und 2015 absolvierte Matuschyk für die FC-Profis mehr als 100 Spiele. Mit Köln und als Leihspieler bei Fortuna Düsseldorf stieg er jeweils in die Bundesliga auf. Bei der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine machte er eines von bislang 20 Länderspielen für Polen. Seit 2015 steht der Merziger bei Eintracht Braunschweig in der 2. Bundesliga unter Vertrag.

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