Der Mann mit dem Strohhut hört auf

Keine Ahnung, wie oft wir uns in all den Jahren schon begegnet sind, aber heute ist es irgendwie anders. "Hallo", begrüßt mich Ludwin Klein an der Haustür. "Komm rein. Da vorne musst du links abbiegen. Mein Büro ist nicht mehr im Keller. Ich bin umgezogen", grinst der Boss der Rehlinger Leichtathleten und lotst mich durch die Diele

Keine Ahnung, wie oft wir uns in all den Jahren schon begegnet sind, aber heute ist es irgendwie anders. "Hallo", begrüßt mich Ludwin Klein an der Haustür. "Komm rein. Da vorne musst du links abbiegen. Mein Büro ist nicht mehr im Keller. Ich bin umgezogen", grinst der Boss der Rehlinger Leichtathleten und lotst mich durch die Diele. Als er Mitte Dezember seinen Rückzug als Direktor des Pfingstsportfestes ankündigte, war klar, dass ihn die SZ mit einer Sonderseite würdigen würde: Mister Leichtathletik und sein Lebenswerk.Wenn man aber am Tag vor Heiligabend unverhofft in eine vorweihnachtliche Familien-Idylle platzt, beschleicht einen schon ein seltsames Gefühl. "Das ist kein Problem", winkt der 74-Jährige ab und bittet, Platz zu nehmen. Mit seiner netten Art bricht "Lui" jedes Eis. Diese Offenheit haben auch die Leichtathletik-Stars kennen und lieben gelernt. Mit vielen Weltmeistern und Olympiasiegern ist "Lui" per Du. "Seine" Kenianer grillten mit ihm im heimischen Garten, nächtigten im Hause Klein und genossen saarländische Gastlichkeit. Am nächsten Tag bedankten sie sich mit Weltklasse-Leistungen. Aber nur wenige ahnten, welche Arbeit hinter der Organisation eines der weltweit populärsten Meetings (Ranking-Platz 66) steckt.

Nach 47 Jahren sei es an der Zeit, den Stab weiterzureichen, sagt der scheidende Chef-Planer, doch die Entscheidung fällt ihm nicht leicht. "Ich bin 74 Jahre alt, und die Gesundheit ist angeschlagen", sagt Klein. Das Rheuma in den Beinen kam plötzlich. "Deshalb bin ich mit meinem Büro auch nach oben gezogen", sagt er.

Im legendären "Verlies", wie Klein den Kellerraum scherzhaft nannte, ulkte er mit Weltstars herum - oder führte knallharte Verhandlungen. Das Treffen mit Hochsprung-Olympiasiegerin Stefka Kostadinowa 1986 vergisst er nie. "Das Mädel wollte plötzlich mehr Geld. Ich bin aber gar nicht darauf eingegangen. Da ist die mir über den Tisch gehopst und abgehauen. Später ist sie doch gesprungen", grinst er. 200 Aktenordner füllten im alten Büro die Regale. "Anfangs war es einfach", erinnert sich Klein an 1963, als er das Pfingstsportfest mit Bruder Edwin aus der Taufe hob. "Wir hatten bei Wettkämpfen in Nachbarländern viele Sportler kennen gelernt. Die haben wir eingeladen." Fünf Nationen nahmen an der Premiere teil, zuletzt waren es weit über 30. "Wenn ich geahnt hätte, welche Ausmaße es annimmt, hätte ich es wohl nie gemacht", grübelt Klein.

Richtig bekannt wurde Rehlingen 1967, als Weltklasse-Mittelstreckler Harald Norpoth antrat. "Zu den Fahrtkosten habe ich ihm noch 400 Mark ins Programmheft gesteckt. Offiziell durfte man ja nichts bezahlen", erinnert sich Klein. Norpoth dankte es mit 2:22,2 Minuten über 1000 Meter. Stadionrekord - bis heute. Zuletzt sei immer mehr Geld im Spiel gewesen, erzählt Klein. In schlaflosen Nächten habe er sich den Kopf zermartert, ob dieser oder jener Top-Athlet noch bezahlbar sei. "Jeder erwartet von uns Weltklasse. Aber Weltstars kosten. Der Druck ist groß", seufzt er. Doch die vielen schönen Momente hätten für manchen Stress entschädigt, sagt er und reiht Anekdote an Anekdote.

So vergeht ein zweistündiger Besuch wie im Flug. Beim "Tschüss-Sagen" weiß ich, dass ich den Mann mit dem Strohhut im Mai wiedersehen werde. Beim 48. Pfingstsportfest, wenn "Lui" die Athleten wieder an sich drückt, deren Top-Leistungen er aber erstmals als Zuschauer feiern wird. Auch dann wird alles irgendwie - ein ganz kleines bisschen - anders sein. "Das Mädel wollte plötzlich mehr Geld. Ich bin aber gar nicht darauf eingegangen. Da ist die mir über den Tisch gehopst und abgehauen."

Ludwin Klein über

die Verhandlungen

mit Olympiasiegerin

Stefka Kostadinowa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort