Angriffslustiger Anführer

Erasmia. Mental ist Bastian Schweinsteiger schon gut eingestellt auf das Spiel gegen Argentinien am Samstag (16 Uhr/ZDF). Er ist vor dem Viertelfinale bereits in Kampflaune. Die Argentinier seien, sagte der Profi des FC Bayern München, schlimme Gesellen. Die würden ständig provozieren - und überhaupt

Erasmia. Mental ist Bastian Schweinsteiger schon gut eingestellt auf das Spiel gegen Argentinien am Samstag (16 Uhr/ZDF). Er ist vor dem Viertelfinale bereits in Kampflaune. Die Argentinier seien, sagte der Profi des FC Bayern München, schlimme Gesellen. Die würden ständig provozieren - und überhaupt. "Es geht ja schon vor dem Spiel los, wie sie gestikulieren,wie sie den Schiedsrichter beeinflussen, das gehört sich nicht", sagte Schweinsteiger gestern. Er geriet fast außer Rand und Band. Auch würden argentinische Fans brave Zuschauer von ihren Sitzen drängen, damit sich die Horde der Weiß-Blauen breitmachen könne auf fremden Plätzen. "Die Argentinier sind so, das zeigt ihren Charakter und ihre Mentalität", sagte er, um weiter loszuledern: "Wir deutschen Spieler sind keine, die andere Spieler absichtlich verletzen wollen, andere Nationen eher."

Mit ruhiger Miene verfolgte Harald Stenger, Pressesprecher des Deutschen Fußball-Bundes, Schweinsteigers Attacken. Man hätte annehmen können, er halte den 25-Jährigen zurück, aber er ließ ihn reden. Man kann also davon ausgehen, dass Schweinsteiger nicht nur ein rein persönliches Anliegen formulierte. In einem Interview hatte er sich bereits deutlich geäußert: "Argentinien ist sicher nicht eine der fairsten Mannschaften. Sie fordern gelbe Karten, wenn sie gefoult werden, und wenn sie selbst Foul spielen, dann beschweren sie sich auch noch beim Schiedsrichter, weil der gefoulte Spieler am Boden aus ihrer Sicht doch nur simuliert."

In Erinnerung ist natürlich die Rangelei nach dem WM-Viertelfinale 2006 im Berliner Olympiastadion, das Deutschland nach Elfmeterschießen gewann. Es kam zu Scharmützeln, in die nicht nur Spieler und Betreuer, sondern auch Pressesprecher Stenger ("Ich wollte nur schlichten") verwickelt waren und aufgrund derer Thorsten Frings, der eine überragende WM spielte, im Halbfinale gegen Italien (0:2) gesperrt war.

"Diese Szene steckt noch in den Köpfen drin", sagte Schweinsteiger. Offenbar hat sich die Führung der Nationalelf entschieden, dass er seine Rolle als "aggressiver Anführer" sehr ernst nehmen soll. So schoss er Salven ins 30 Kilometer entfernte Lager des Gegners ab, von wo aus mit Gegenangriffen zu rechnen ist. Das werden sich die Argentinier, von Schweinsteiger in ihrem Nationalstolz verletzt, nicht gefallen lassen. Sie wollen sicher keine Treter und Trickser sein.

Auf der Position des Sechsers, also des defensiven Mittelfeldspielers vor der Viererabwehrkette, spielen für gewöhnlich streitbare Typen. In Schweinsteigers Club lebt Mark van Bommel vor, wie man Würze in eine Partie bringt - mit taktischen Fouls zur rechten Zeit und Sticheleien im Vorfeld. Schweinsteiger zeigt sich als gelehriger Schüler des holländischen Nationalspielers. Abschließend riet er gestern aber dazu, "sich nicht anstecken zu lassen von den Provokationen der Argentinier". Er hofft vielmehr darauf, dass sich der Gegner von den brüskierenden Ausführungen infizieren lässt und im Spiel den Kopf verliert. Nur dieses Kalkül kann hinter seinen Worten stecken. Bei seinem Seminar zum hinterhältigen argentinischen Nationalcharakter ging fast ein bisschen unter, dass er ja nicht nur forsch daherreden kann, sondern auch sehr gut Fußball spielen. Bei der WM hat sich Schweinsteiger zum wichtigsten Deutschen auf dem Platz aufgeschwungen. Er rennt, sofern er nicht verletzt ausgewechselt wird, jede Partie fast zwölf Kilometer und hat die meisten Ballkontakte. Seine Dienste bei Spielaufbau und Ballverteilung sind so wichtig fürs deutsche Spiel wie der Energieriegel für einen Langstreckenläufer. "Er bringt auf der Position des Sechsers viel Symmetrie und Ordnung ins Spiel", lobte Bundestrainer Joachim Löw: "Es ist ständig in Bewegung, treibt ständig an." Ja, der Basti sei "auch schon von großer Bedeutung".

Schweinsteiger ist da angekommen, wo er nach eigenem Bekunden hingehört - auf der Sechs: "Das ist meine Lieblingsposition, ich wurde da beim FC Bayern ausgebildet." Aber als junger Spieler habe er freilich ausweichen müssen auf die Flügel, da auf der zentralen Position andere das Zepter schwangen. Jetzt darf Schweinsteiger regieren. Auf diplomatische Feinheiten legt er allerdings keinen Wert.

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