"Die Leute wollen euch doch nicht sterben sehen"

Herr Mansion, wie kamen Sie nach Saarlouis?Mansion: Ich bin nicht in Saarlouis geboren, sondern in Weißenfels an der Saale, in Thüringen. Nach Saarlouis bin ich gekommen, weil mein Vater, der aus Wallerfangen stammte, nach dem Krieg hier, bei seiner Familie, wieder Anschluss gesucht hat. Meine Mutter ist in China geboren - da gab es keine Anbindungen

Herr Mansion, wie kamen Sie nach Saarlouis?Mansion: Ich bin nicht in Saarlouis geboren, sondern in Weißenfels an der Saale, in Thüringen. Nach Saarlouis bin ich gekommen, weil mein Vater, der aus Wallerfangen stammte, nach dem Krieg hier, bei seiner Familie, wieder Anschluss gesucht hat. Meine Mutter ist in China geboren - da gab es keine Anbindungen. In China?Mansion: Ja. Meine Eltern haben sich im Kriege in Dresden kennen gelernt. Meine Mutter war schon mit 14 Jahren aus China ausgereist. Sie war die Tochter einer Japanerin und eines Deutschen. Mein Großvater war Professor für Germanistik und Geschichte an der Universität von Hankau in China. Sie waren zuletzt Geschäftsführer des Selbstverwalteten Betriebshofes (SBS) in Saarlouis. Gelernt haben Sie etwas anderes?Mansion: Ich sollte eigentlich etwas Kaufmännisches lernen, wollte es aber nicht. Ich habe mich auf mein Fahrrad gesetzt und bin nach Völklingen gefahren, um mich in einem zahntechnischen Labor vorzustellen. Denen hat es so imponiert, dass ich mit dem Fahrrad kam, dass sie mich gleich eingestellt haben. Nach 24 Jahren wollte ich nicht mehr: immer kompliziertere Arbeit immer schneller für immer weniger Geld. Das hat mir nicht gefallen. Rückblickend hätte ich noch eher aussteigen sollen.Mit welcher Vision?Mansion: Damals waren die Bedingungen hinsichtlich des Arbeitslosengeldes viel großzügiger als heute. Ich hatte Zeit, um mir etwas zu überlegen. Vom Abhauen bis Kneipe aufmachen. Letztlich bin ich eineinviertel Jahr in Spanien in einem Serviceunternehmen gelandet. Das hat unter anderem Wohnungen der wohlhabenden Rentner betreut, die es in Zukunft nicht mehr geben wird. Dann kam der Selbstverwaltete Betriebshof?Mansion: Nicht ganz. Ich habe zunächst die Landesgeschäftsstelle der Grünen - geleitet, das ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich war Geschäftsführer und hatte mich auf etwas gut Gemeintes eingelassen, was aber schwierig war. Es gab eine enorme Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Flügeln, und ich kannte doch Ross und Reiter gar nicht. Machten Sie damals schon Kabarett?Mansion: Ja. Es gab in den 80er und frühen 90ern die Filzläuse in Saarlouis. Das kam zustande, weil sich ein paar Leute gelegentlich trafen, um den Scheibenwischer mit Dieter Hildebrand zu sehen. Wir lachten fürchterlich und sagten: Das müsste man auch mal machen. Auf einmal fingen einige an zu schreiben. Manfred Spoo, Klaus Kessler, und ich auch. Wir glichen Texte ab, feilten, das ging alles. Irgendwann wollten wir im Studio des Theaters am Ring auftreten. Wir dachten: Da werden Freunde kommen und sich das anhören. Das Fatale war aber: Kurz vor Beginn kam der Hausmeister und hat gesagt: Michael, ich hann missen de Dier zumachen. Wieso, was ist passiert? Nix, der Saal ist rappelvoll. Ich kann keinen mehr reinlassen. Wir wagten einen Blick durch die Kulissen und begannen schlagartig, unsere Hemden durchzuschwitzen. Lausige 80er hieß unser Programm. Wir hatten zu unserem Erstaunen einen Riesenerfolg. Einmal hatten wir einen Gast, den Schauspieler Georg Lauran aus Gresaubach, der amüsierte sich köstlich. Kinners, das ist ja klasse, was ihr macht, aber ihr verschenkt die Hälfte! Wenn ihr auf der Bühne steht, dann sieht man, dass ihr Angst habt. Die Leute wollen euch doch nicht sterben sehen, die wollen unterhalten werden. Wie lang gab es die Filzläuse?Mansion: Lang. Acht Jahre. Wir haben im ganzen Saarland gespielt. Teilweise waren acht, neun Leute auf der Bühne. Wir hätten weitergemacht, hätten wir nicht den Punkt erreicht, an dem wir hätten professionell werden müssen. Das ging aber nicht. Auch, weil Leute umzogen, heirateten oder sich scheiden ließen. Können Sie sich vorstellen, wieder Kabarett zu machen?Mansion: Jo! Schlicht und einfach: Jo! Sonst sagt man ja immer, man habe keine Zeit. Nach meiner Verrentung kann ich das ja nicht mehr sagen. Es gibt hier Leute, mit denen eine fruchtbare Zusammenarbeit relativ leicht vorstellbar ist.Wie sehen Sie als kabarettistisch Veranlagter Saarlouis heute?Mansion: Eigentlich so, wie es immer war. Saarlouis ist ein Kaufmannsstädtchen. Saarlouis ist provinziell. Oft zu Unrecht gescholten wegen seines angeblich so schlechten Kulturprogramms. Das ist gar nicht schlecht. Man muss halt mal hingehen. Aber das ist keine Arbeiterstadt. Saarlouis hat keine proletarische Kultur, aber auch keine akademische. Eben ein Kaufmannstädtchen. Charmant, den Leuten gefällt das. Bisschen teuer ist es. Vom Bauplatz bis zum Kaffee.Irgendwann ging es weiter mit dem SBS?Mansion: Ja, dann ergab sich das SBS im Alten Betriebshof. Es gab eine Auseinandersetzung mit Oberbürgermeister Nospers, der wohl nichts Gutes ahnend eher die Bremse zog. Aber durch diese Bewegung, das muss man heute sagen, vor allem durch die Grünen mit Hubert Ulrich, entstand ein ziemlicher Druck vor dem Hintergrund der so genannten Komm-Bewegung in Deutschland. Alle redeten davon, dass junge Leute etwas machen sollen - aber wo denn? Damals gab es sehr viel Power bei denen, die mitgemacht haben, unglaubliche Arbeit, die Räume herzurichten. Großartig. Das Prinzip: Unterschiedliche Initiativen können in einem Haus etwas machen, was von Interesse ist. Das Ganze wird dabei auch als etwas Zusammenhängendes begriffen. Es ist ja ein Verein. Viel hörte auf, weil Leute älter wurden und wegzogen. Aber der SBS-Verein hat heute mit 173 immer noch eine erkleckliche Anzahl von Mitgliedern.

HintergrundDer SBS zog vor zehn Jahren aus dem baufälligen Alten Betriebshof in den Luxemburger Ring 8. Das Konzept zielt nicht mehr zuerst auf Jugendliche. Es gibt zum Beispiel eine Computer-Arbeitsgruppe, die Linux-Leute; einen anthroposophischen Kinderspielkreis, den ADFC, eine Musik-Gruppe, das Caritas-Jugend-Migrationswerk, den Kinderschutzbund, Motorradfahrer, eine Filmgruppe. Ab 1. Juni teilen sich Stefan Neuhäuser (organisatorisch-kulturell) und Horst Cramaro (technisch) die Leitung. Der SBS-Vertrag mit der Stadt läuft bis 2013. we

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