Discochef: Vorglühen macht aggressiv

St. Wendel. Kaum ein Wochenende vergeht, an dem die Polizei nicht über Schlägereien oder über bis zur Krankenhausreife betrunkene junge Leute im Umfeld der St. Wendeler Disco Flash berichtet. Blutiger Höhepunkt war ein Übergriff auf einen Beamten aus dem Hinterhalt. Beim mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen 23-Jährigen, der zur Tatzeit laut Ermittler betrunken war

St. Wendel. Kaum ein Wochenende vergeht, an dem die Polizei nicht über Schlägereien oder über bis zur Krankenhausreife betrunkene junge Leute im Umfeld der St. Wendeler Disco Flash berichtet. Blutiger Höhepunkt war ein Übergriff auf einen Beamten aus dem Hinterhalt. Beim mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen 23-Jährigen, der zur Tatzeit laut Ermittler betrunken war. Und: Es war nicht das erste Mal, dass der Neunkircher als Schläger auffiel (wir berichteten).Nach Angaben eines Sprechers der Polizeibezirksinspektion in der Kreisstadt St. Wendel habe in den vergangenen Jahren die Gewalt im Vollrausch zugenommen. Allerdings sehen sich die Macher der Disco Flash, in deren Umfeld es in der jüngsten Zeit laut Polizeibericht vermehrt zu solchen Auswüchsen kam, nicht für diese Entwicklung verantwortlich. Geschäftsführer Joachim "Cassius" Clemens (Foto: dia-saar.de/SZ) sieht den Grund dafür im veränderten Verhalten der Discobesucher, die bereits vorher Alkohol trinken. Clemens: "Früher wurde mit Bier vorgeglüht. Das reicht heute nicht mehr. Heute muss es Hochprozentiges sein." Das heißt: Viele setzen bereits vor der Party die Flasche an, um lockerer in und preiswerter aus dem Abend zu kommen. Geschulte MitarbeiterInsbesondere mit Schnaps und Mixgetränken steige die Aggression bei vielen, beobachtet der 56-jährige Discochef schon über Jahre hinweg. Clemens: "1995 reichten noch zwei Türsteher. Die kümmerten sich zeitweise sogar mit um die Kasse am Eingang." Mittlerweile reiche das beileibe nicht mehr aus. "Heute haben wir zwölf Securitymitarbeiter abgestellt." Die kümmerten sich in erster Linie ums Umfeld. Denn innen komme es selten zu Schlägereien. "Die meisten Auseinandersetzungen ereignen sich vor unserer Tür und haben mit uns nichts zu tun", versichert der Discoboss. Denn wer volltrunken ins Flash an den Kassen im Eingang vorbeigehen will, habe keine Chance. Im Laden selbst seien die Mitarbeiter derart geschult, dass sie betrunkenen Besuchern keine Getränke mehr ausschänken. Noch ein Sicherheitsinstrument habe er in seinem Geschäft eingeführt, dass auch so für seine zweite Disco, die Kufa in Saarbrücken, gelte: Jeder Besucher unter 18 Jahren müsse eine schriftliche Erlaubnis der Eltern an der Kasse vorzeigen. Um zu kontrollieren, ob die Unterschrift keine simple Fälschung ist, verlange das Personal die Ausweiskopie des Elternteils, der die Erlaubnis unterzeichnet habe. Ebenso verlange man eine Ausweiskopie des Aufpassers, der den Minderjährigen in die Disco begleitet. Damit soll ausgeschlossen werden, dass sich der Begleiter älter macht, als er ist. Zuletzt müsse der Besucher seinen eigenen Ausweis vorlegen, um zu vermeiden, dass sich junge Leute unter 16 Jahren hineinschmuggeln. Clemens: "Die dürfen auch mit ihren Eltern nicht rein." Obwohl das schon zu Heul- und Vorwurfsszenen vor der Disco geführt habe - auch seitens der Eltern. Clemens baue des Weiteren auf die Zusammenarbeit mit der Polizei. Unter anderem werde Ermittlern nach einem Vorfall die Aufzeichnung der Überwachungskamera bereitgestellt. So auch zuletzt bei einer Schlägerei, die sich vor der Tür ereignet hatte: Dabei sollen zwei junge Männer einen Besucher mit dem Kopf gegen eine Wand geschlagen haben. Mit Hilfe der Bilder kam die Polizei den Tätern auf die Schliche. Übrigens verweist Clemens auf seine Statistik, was Ausschreitungen betrifft: "Zu uns kommen 3000 Leute am Wochenende, von denen fünf Leute auffallen. Da passiert bei jedem Fußballspiel auf dem Dorf mehr." Meinung

Dilemma der Gesellschaft

Von SZ-RedakteurMatthias Zimmermann St. Wendels Disco-Macher Joachim Clemens hat in einem Punktr Recht: Heute trinken viele vor der Party im Tanztempel Alkohol, greifen zu harten Sachen, um sich in vermeintlich richtige Stimmung zu bringen. Dafür kann ihn niemand verantwortlich machen. Allerdings locken noch immer viel zu viele Disco-Veranstalter mit Hochprozentigem zu Schnäppchenpreisen. Das macht sowohl die Kassen als auch Kunden voll. Da ist nicht zu vermitteln, warum Vorglühen mit Alk unverantwortlicher sein soll als ein Saufgelage in der Disco. Aber auch Eltern müssen sich fragen lassen, warum sie derartige Exzesse zulassen. Denn offensichtlich ist es gesellschaftlich anerkannt, sich am Wochenende zuzuschütten, um Spaß zu haben. Daraus wird allzu oft blutiger Ernst. Wir stehen vor einem Dilemma, das uns alle angeht.

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