Obrigkeit hat Volkesgunst verspielt

St Wendel · Da konnten die Stadt- und Gemeindeoberen sich noch so sehr wehren, am Ende half alles Flehen nichts: Seit gestern regieren die Narren in den Rathäusern und sogar in der Kreisverwaltung. Und daran wird sich auch bis Aschermittwoch nichts ändern.

 Die Luisengarde der Coburger und das Kinderprinzenpaar Isabella I. und Nicolas I., (links) verhaften den Landrat Udo Recktenwald und führen ihn ab. Foto: B&K

Die Luisengarde der Coburger und das Kinderprinzenpaar Isabella I. und Nicolas I., (links) verhaften den Landrat Udo Recktenwald und führen ihn ab. Foto: B&K

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Schluss mit lustig. Landrat Udo Recktenwald (CDU ) wird von der in rot gekleideten Luisenrgarde in Ketten abgeführt. "Ich will doch nur den Landkreis retten", wimmert der entmachtete Verwaltungschef. Angezettelt hat den Aufstand im Landratsamt die personell angezählte Fastnachtstruppe der Coburger. Unfassbar. Trotz der gewaltigen Übermacht von 440 in Lohn stehenden Gehilfen muss Recktenwald den Schlüssel rausrücken. Gravierende Patzer wie Bau-Wahn und Schwimmbad-Schließungen werden dem Verwaltungschef zur Last gelegt. "Deine erneute Wahl zum Landrat ist ernsthaft gefährdet", droht Ober-Coburger Erich Maldener. Weil seine Entschuldigungen nicht ziehen, wirft Recktenwald das Handtuch: "Ich gehe ins Exil an den Tegernsee schnell und teil mir mit Hoeness eine Zell", so der Landrat. Drum Erich, verhaft mich, lass mich in Ketten, will jetzt nur noch meine Haut retten", winselt Recktenwald vor dem endgültigen Rauswurf aus seinem Dienstgebäude.
Ochsitorium klagt an

Um die Mittagszeit wird Interims-Rathauschef Peter Klär in Haft genommen. Eigentlich ist der Erste Beigeordnete der Kreisstadt ein armer Schlucker, denn ihm wird für die Verfehlungen des nach Saarbrücken geflohenen Klaus Bouillon der Prozess gemacht. Staatsanwalt Elekto-Ochs (Hans Gerecht) will ihn für den Prunkbau am Dom und den Neubau des Schwimmbades zur Rechenschaft ziehen. Doch es kommt noch heftiger für Klär. Es kann ihm den Kopf kosten, weil der Flüchtige Bouillon die Schlussetappe des Mega-Radrennens nach St. Wendel geholt hat. "Damit hat Bouillon eine Staatsaffäre ausgelöst und die Freundschaft mit Frankreich auf Spiel gesetzt", klagt Staatsanwalt Elektro-Ochs an. Daraufhin schluckt Klär zunächst, kontert jedoch frech: "Die Tour, das ist gewiss, endet hier und nicht in Paris". Das war's dann aber für ihn. Wegen der groben Schandtaten Bouillons wird Klär in allen Anklagepunkten von Richter Pillen-Ochs (Sepp Fischer) schuldig gesprochen. Das Urteil ist sofort rechtskräftig. Bis Aschermittwoch muss Klär das Rathaus an die Coburger abgeben. Übrigens. Die Fahndung nach Bouillon läuft weiter auf Hochtouren.
Eine friedliche Übernahme

Der Rathausturm in Freisen war wirklich harmonisch. Bürgermeister Karl Josef Scheer leistete am Treppenaufgang des Rathauses nur der Form halber Widerstand, bevor er die zum Sturm bereiten Hexen zum Umtrunk in seine Amtsstube einlud. Bei Sekt und Orangensaft wurden die kampfbereiten Hexen auch schon etwas zahmer, was sie aber nicht davon abhielt, das Gemeindeoberhaupt an die Leine zu nehmen und zur Verurteilung in den Sitzungssaal zu schleppen. Oberhexe Silvia Schmidt verlas die Klageschrift: "Wenn mir e Vogel wäre, mir wüsste ganz genau, wene mir als erschdes anscheiße würde", verkündete sie. "Mir senn net zickig, mir senn emotionsflexibel. Mir hann kä magge, dat senn Specialeffects", so die Hexenkönigin weiter. "Fraue misse wie Fraue aussiehn un net wie tapezierte Knoche". Sehr zum Jubel aller Hexen und Frauen. "Dat es kein Speck, dat es alles erotische Nutzfläche", so Hexe Silvia weiter. Wo das neue Hotel in Freisen hin käme, war die peinliche Frage, mit der der Bürgermeister alsdann konfrontiert wurde. Der rote Häuptling habe alle Feldwege saniert, nur leider gäbe es nur schwarzen Teer, sonst wären die Wege nämlich in Rot geteert. Außerdem wäre der Bürgermeister mit einer Millionenbeute auf der Flucht. Das Geld liege aber sicher im Tresor, so Bürgermeister Scheer, und würde in drei Schichten von den Mitarbeitern bewacht. Mit der Übergabe des Rathausschlüssels übernahmen die Hexen bis Aschermittwoch das Regime im Freisener Rathaus. Anschließend wurde noch im Ratssaal getanzt und die eine oder andere Polonaise zog durch die geheiligten Hallen und Flure des Rathauses.
Narren kennen keine Gnade

 Dank des Fahndungsplakates machen die Hexen Bürgermeister Karl Josef Scheer schnell ausfindig. Foto: rgm

Dank des Fahndungsplakates machen die Hexen Bürgermeister Karl Josef Scheer schnell ausfindig. Foto: rgm

Foto: rgm
 Der Erste Beigeordnete Peter Klär wird abgeführt. Die Luisengarde der Coburger kassiert erstmal den Rathausschlüssel. Foto: B&K

Der Erste Beigeordnete Peter Klär wird abgeführt. Die Luisengarde der Coburger kassiert erstmal den Rathausschlüssel. Foto: B&K

Foto: B&K
 Reumütig sieht anders aus: Die Alsweiler Garde geleitet Werner Laub zur Verlesung der Anklage. Foto: Daniel Ames

Reumütig sieht anders aus: Die Alsweiler Garde geleitet Werner Laub zur Verlesung der Anklage. Foto: Daniel Ames

Foto: Daniel Ames

Aufs gesundheitliche Attest nahmen die Narren der Gemeinde keine Rücksicht. Der Elferrat legte den verschnupften Marpinger Bürgermeister um Punkt 14.11 Uhr in Ketten. Mit dem Rathausschlüssel um den Hals geleiteten ihn die Alsweiler Garden ins Gasthaus Klosterschänke, wo die Narren Rechenschaft von ihm verlangten. Elferratspräsident Florian Gasse: "Kanal und Straßen sind im Ende. Kein Geld im Sack, somit kä' Wende." Auch aus der Idee Marpingen zu Stadt zu machen, wurde nichts. Drum sangen die Fasetbooze ihrem Bürgermeister ein Ständchen: "Atemlos ohne Moos, so geht's im Rathaus in die Hos'". Ein Besuch des Urexweiler Schwimmbads sei zudem wie russisches Roulette, denn man weiß nie "ist es heut offen oder mo widder net." Laubs Idee zur Rettung: Das Gemeindesymbol soll zum Lebensbaum werden. Zur Besänftigung stimmte er das Lied "Baum des Lebens" von Peter Maffay an und fand Widerhall beim Narrenvolk. Aber, wenn auch die Berschweiler Biberburg sei grandios, den Rathausschlüssel ist der Bürgermeister für die tollen Tage los.

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