Ganz geheime Hilfe

St Wendel · Die Saarbrücker Zeitung präsentiert erneut die Serie „Ich lebe gerne in . . .“. Eine Woche berichten wir schwerpunktmäßig über Menschen aus St. Wendel. Heute stellen wir die St.-Sebastianus-Bruderschaft vor. Die Notgemeinschaft existiert seit 575 Jahren.

Wir schreiben das Pest- und Hungerjahr 1441, als sich in St. Wendel nach dem Schutzpatron gegen Pest die St.-Sebastianus-Bruderschaft gründet. "Organisiert wurde sie nach Art einer mittelalterlichen Handwerkerzunft, die offen für alle Stände war ", berichtet Bruderschreiber Gerd Schmitt.

Am 20. Januar 1441 haben sich die Mitglieder zum Gesellschafthalten, der Anlegung einer Armenkasse zur gegenseitigen Hilfe in einer Notsituation und zur Unterstützung der Armen im Stadtbereich verpflichtet. "Seit dem Gründungsjahr ist die Bruderschaft im Sinne der karitativen Nächstenliebe ununterbrochen tätig", betont der Bruderschreiber Schmitt. Zahlreiche Menschen, die wie beispielsweise Mauritius von Hame - später Abt von Tholey - Stadtgeschichte geschrieben haben, sind als Mitglieder der Nothilfegemeinschaft gelistet. Das geht aus dem historischen und bis zum heutigen Tag erhaltenen Mitgliederverzeichnis hervor. Als erste Mitglieder sind darin drei Geistliche verzeichnet: die beiden Altaristen Heintzelman und Lecker sowie Johan der alte Pfarher (Pfarrer Johann Schwarz).

"Bis heute hält sich die Bruderschaft in ihrem Leben und Wirken an die Absichten ihrer Gründer, die Verehrung Gottes und Unterstützung der Armen, fest", erklärt Anton Stier, 103. Brudermeister. Die Regeln würden weiterhin geachtet und gelebt, nur eine Änderung sei eingetreten. "Die Bruderschaft ist seit über 100 Jahren überkonfessionell, es gehören ihr nicht nur Mitglieder katholischen Bekenntnisses an", sagt der Bruderschreiber.

Das soziale Anliegen der Notgemeinschaft nötigt auch jenen Mitbürgern Achtung ab, die zum sonstigen kirchlichen Leben nicht in enger Beziehung stehen. "Verschämte Armut und akute Notlagen braucht man auch heute in der sogenannten Wohlstandsgesellschaft nicht lange zu suchen", ergänzt Schmitt. Geholfen werde unbürokratisch, dabei gelte das Gebot der Verschwiegenheit. "Wir helfen Betroffenen innerhalb des Stadtbereichs, dazu sind wir auch auf Informationen angewiesen, und wir begleiten ein Stammpublikum", erzählt Brudermeister Stier.

Vor wenigen Tagen, am 20. Januar, hat die St.-Sebastianus-Bruderschaft zum 575. Mal den Patronatstag nach altem Brauch begangen. Den gesamten Tag hat der Bruderrat im "Vaterhaus" Café Lerner die Spenden der Mitglieder entgegengenommen, die den Bedürftigen zugutekommen. Im Jubiläumsjahr zählt die Bruderschaft 300 Mitglieder aus allen sozialen Schichten. "Die Zahl schrumpft infolge der demografischen Entwicklung sichtlich", bedauert Schmitt. Die Leitung obliegt einem aus acht Mitgliedern bestehenden Bruderrat, der das Unterstützungsgeld persönlich und diskret überbringt.

"Eine besondere Aufnahmebedingung gibt es bei uns nicht, lediglich erfolgt eine Registrierung der Neumitglieder am Patronatstag", teilt Schmitt mit. Die Bruderschaft verstehe sich nicht als gemeinnütziger Verein, weshalb die Hilfsgemeinschaft nichts mit Vereinsmeierei am Hut habe.

Die Jubiläumsfeiern setzten sich am Sonntag mit dem von Abt Mauritius Choriol von der Tholeyer Benediktinerabtei zelebrierten Pontifikalamt in der Basilika und dem Festakt im Mia-Münster-Haus fort.

 Der Bruderrat: (stehend von links) Georg Ehrhardt, Klaus Stein, Jochen Lerner, Marco Tliel,Franz Josef Kockler; (sitzend von links) Karl-Josef Scherer, Bernd Naumann (Bruderknecht), Anton J. Stier (Brudermeister), Gerd Schmitt (Bruderschreiber ) Foto: Bonenberger & Klos

Der Bruderrat: (stehend von links) Georg Ehrhardt, Klaus Stein, Jochen Lerner, Marco Tliel,Franz Josef Kockler; (sitzend von links) Karl-Josef Scherer, Bernd Naumann (Bruderknecht), Anton J. Stier (Brudermeister), Gerd Schmitt (Bruderschreiber ) Foto: Bonenberger & Klos

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Auf einen BlickSchutzpatrone der St.-Sebastianus-Bruderschaft sind die Heiligen Sebastian (Pest ) und Fabian (Hungersnot). Derzeit hat die Nothilfegemeinschaft in St. Wendel 300 Mitglieder. Sie wird von Brudermeister (Vorsitzender) Anton Stier geleitet, Bruderschreiber Gerd Schmitt (Schriftverkehr), Bruderknecht Bernd Naumann (Kassenwart) und weitere fünf Mitglieder des Bruderrates (Beirat, Kassenprüfer) unterstützen ihn. Noch heute gelten die aus dem Mittelalter übernommenen Regeln aus Gründen der Diskretion. Es gibt keine Mitgliederversammlung mit Rechenschaftsbericht, keine Vorstandswahl. Die Kontrolle erfolgt durch die Mitglieder des Bruderrates gegenseitig: Rechenschaftsbericht des Brudermeisters vor dem Bruderrat. frf

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