Und so wurde Dillingen gerettet

Wallerfangen · In Wallerfangens Historischem Museum: Dokumente zu zwei Offizieren aus Wallerfangen, die sich Befehlen zu Mord und Zerstörung widersetzten.

 Christiane Sibille, lässt sich von Prof. Rudolf Echt und Rainer Darimont Dokumente zu ihrem Großvater Josef Sibille erklären. Foto: Johannes A. Bodwing

Christiane Sibille, lässt sich von Prof. Rudolf Echt und Rainer Darimont Dokumente zu ihrem Großvater Josef Sibille erklären. Foto: Johannes A. Bodwing

Foto: Johannes A. Bodwing

Wieder ein Mosaikstein mehr im Bild von Wallerfangen als einem Ort, der wie kaum ein anderer vom Miteinander von Deutschen und Franzosen, auch gegen den Zeitgeist, geprägt wurde: Eine kleine Sonderausstellung im Historischen Museum Wallerfangen zeigt seit Sonntag die wenigen Dokumente zum Leben des Wallerfangers Louis de Villeroy (1790 bis 1830), Hauptmann in der französischen Armee, und des Wallerfangers Josef Sibille (1894 bis 1983), Oberleutnant in der deutschen Wehrmacht. Der erste verweigerte einen Befehl des Kommandanten der Festung Saarlouis, Dillingen niederzubrennen. Der zweite verweigerte im Herbst 1941 einen Befehl, alle Juden eines Dorfes bei Smolensk in Weißrussland zu erschießen. Beide Offiziere waren bislang nicht Teil des historischen Bewusstseins Wallerfangens.

Das ist umso erstaunlicher, als Josef Sibille nach Recherchen von Rainer Darimont (Verein für Heimatforschung) in Wallerfangen als "herausragende Persönlichkeit" galt: Dorflehrer, später Konrektor in genau dem Raum, der heute Museum ist, Chorleiter, soziales Engagement. Sibille selbst hat offenbar über seine Befehlsverweigerung als Kompaniechef im 1. Bataillon des 691. Infanterieregimentes später nicht gesprochen. Die bekannte Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" (1995 bis 1999; 2001 bis 2004) würdigte Sibille. Schon 1954 sagte er als Zeuge vor dem Landgericht Darmstadt aus. In dem Prozess wurden zwei weitere Kompaniechefs dieses Bataillons wegen der Massenexekution angeklagt und verurteilt. Sie hatten den Befehl ausgeführt, der damit begründet worden war, dass alle Juden Partisanen seien. Sibille hatte seine Weigerung schlicht damit begründet, dass er keinen Zusammenhang zwischen Partisanen und alten Juden und Kindern erkennen könne. Seine Enkelin Christiane Sibille, die in der Schweiz lebt und zur Ausstellungseröffnung gekommen war, mutmaßt: "Mein Großvater hatte Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, er hatte eine starke christliche Überzeugung, und vielleicht war ihm die Absurdität dieses Krieges besonders bewusst, weil ein Teil der Familie immer diesseits und einer jenseits der deutsch-französischen Grenze gelebt hatte." Sie selbst habe ihren Vater darauf angesprochen, nachdem sie einen Zeitungsartikel gefunden habe. Ja, das war so, habe der Vater bestätigt. "In unserer Familie wusste man das. Aber nicht als große Tat, sondern eigentlich eine Selbstverständlichkeit, seinem Gewissen zu folgen." Ihr und anderen Familienmitgliedern sei Josef Sibille durchaus ein Vorbild.

Sibille geschah nach der Befehlsverweigerung erstaunlicherweise nichts. Seit 1943 war er in Lazaretten eingesetzt.

Louis de Villeroy kennt die Wallerfanger Ortsgeschichte als den Fabrikdirektor, der den aus England bekannten Kupferdruck ins Produktionsverfahren für Steingut einführte. Man kennt ihn als Erbauer des Hofgutes Limberg (1826) und des dortigen Kapellchens (1827). Ein Blatt aus einer um 1840 vom Dillinger Pfarrer Philipp Schmitt handgeschriebenen Chronik nennt ihn als Hauptmann einer Einheit, die von der Festung Saarlouis aus befehligt wird. Dr. Peter Winter (Stellvertr. Vorsitzender des Vereins für Heimatforschung) nimmt an, dass es zwischen Mai und November 1815 war: Der letzte Festungskommandant von Saarlouis, Jean Thoma, befahl, "das Dorf Dillingen" niederzubrennen. Es habe den Deutschen geholfen Dillingen Bürgermeister Gerin und ein "Herr Pontry" baten vergeblich um Gnade. Hauptmann Villeroy aber erklärte laut Bericht von 1840, er wolle lieber den Kopf verlieren als Dillingen niederzubrennen. Und so, heißt es weiter wurde das Dorf gerettet." Zu dem Zeitpunkt, vielleicht kurz nach der Schlacht von Waterloo (Juni 1815) war der Krieg für die Franzosen allerdings ohnehin verloren. Beide Offiziere kamen Peter Winter in den Sinn, als er das Motto des Internationalen Museumstages (21. Mai 2017) las: "Mut und Verantwortung". Zu sehen bis Sonntag, 2. Juli.

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