Die Ureinwohner der Wohnstadt

Wohnstadt. Auf dem Tisch liegt ein großer Ordner, prall gefüllt mit Fotos, Dokumenten, Briefen und Zeitungsartikeln, die Hans Knops in den vergangenen 45 Jahren gesammelt hat. Es ist ein Stück Geschichte, die er und seine Ehefrau Erna in Überherrn erlebt haben - genauer gesagt in Wohnstadt

Wohnstadt. Auf dem Tisch liegt ein großer Ordner, prall gefüllt mit Fotos, Dokumenten, Briefen und Zeitungsartikeln, die Hans Knops in den vergangenen 45 Jahren gesammelt hat. Es ist ein Stück Geschichte, die er und seine Ehefrau Erna in Überherrn erlebt haben - genauer gesagt in Wohnstadt. Das Ehepaar hat damals das Musterhaus in der neu geschaffenen Wohnsiedlung, die mit riesigem öffentlichen Interesse eingeweiht wurde, bezogen. Da kam selbst der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard vorbei, um sich im Haus der Knops umzuschauen. "Wir sind in ein kaltes Haus gezogen", erinnert sich Hans Knops. Als er mit seiner Familie am 1. September 1965 von Wehrden nach Wohnstadt kam, gab es in der Straße noch keine Gasversorgung. Aber rechtzeitig zum Winterbeginn war alles installiert, und das Ehepaar begann sich mit seinen beiden Töchtern zu Hause zu fühlen. Warum haben sie sich für Wohnstadt entschieden? Zum einen gefiel ihnen Wehrden als Wohnort nicht mehr. "Alles war dreckig, die Häuser, die Luft, und hier war alles so sauber", sagt Erna Knops. Das Ehepaar wollte den Kindern eine bessere Umgebung bieten. "Außerdem waren die Wohnungen in der Wohnstadt das Günstigste, was auf dem Markt zu kriegen war", sagt Knops. Er hat im Kraftwerk Wehrden gearbeitet und ist über seinen Arbeitgeber zu günstigen Konditionen an das Haus im Marcweg gekommen. Für das 100 Quadratmeter große, eingeschossige Eigenheim zahlten die Knops damals 80 000 Mark. "Den Kredit bekamen wir zu unschlagbaren Zinssätzen", erklärt das Familienoberhaupt. Allerdings konnten sie sich ihr Haus nicht aussuchen, denn die Eigenheime sind damals ausgelost worden. Aber insgeheim hofften sie, dass es genau das Haus wird, das es dann auch geworden ist. Und kurz nach ihrem Einzug wurde die große Richtfeier in der Wohnstadt gefeiert. "Richtfeier der 8,5millionsten nach Kriegsende errichteten Wohnung", hieß es in der Einladung. Die damalige Landesregierung unter Ministerpräsident Franz-Josef Röder war da - und Bundeskanzler Ludwig Erhard. Und alle schauten sie sich das Musterhaus der Knops an. Es ist kein riesiges Haus, aber die Knops haben es liebevoll eingerichtet. Früher erschien es ihnen fast zu klein, heute ist es für sie groß genug. Schließlich ist Erna 85 Jahre alt, ihr Ehemann 88. Im Februar hat das Paar Eiserne Hochzeit gefeiert. Ernas Herz schlägt insgeheim noch für Wehrden. "Mir gefällt es hier schon sehr gut, aber mit Wehrden bin ich immer noch verbunden", sagt sie. Was sie in Überherrn sehr zu schätzen weiß, ist die Hilfsbereitschaft der Menschen. "Ob es unser junger Nachbar ist beim Schnee schippen oder junge Menschen, die mir helfen, schwere Sachen ins Auto zu tragen, ich kann mich wirklich nicht beklagen." Meinung

Schönes Heim,aber weite Wege

Von SZ-RedakteurinEsther Maas Keine Frage. Entweder man mag die Wohnstadt, oder man mag sie ganz und gar nicht. An der Architektur scheiden sich die Geister. Doch die Menschen, die dort leben, haben ihren Heimatort lieb gewonnen, fühlen sich zu Hause. Nur die Ortsrandlage macht den inzwischen zahlreichen Senioren zu schaffen. Die Wege zu den Geschäften sind weit. Eine bessere Grundversorgung würde den Bewohnern das Leben leichter machen. HintergrundWohnstadt ist der jüngste Ortsteil der Gemeinde Überherrn, in den 60er Jahren als "Demonstrativbauvorhaben des Bundes" gebaut worden, ursprünglich geplant für 20 000 Menschen. Zu Beginn entstanden 600 Wohnungen in Eigenheimen. Die ersten Familien zogen 1965 ein. Zum Jahreswechsel 1966/67 zählte die Wohnstadt 1312 Einwohner, ein Jahr später über 2000, im Juni 1971 schon 2333. Zurzeit wird ein neues Wohngebiet - Wohnstadt Süd - ausgewiesen mit 120 Wohneinheiten. Derzeit leben 2167 Bürger in Wohnstadt. hth

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