Lesung über das Grauen der Flucht

Lebach · „Unser Herz schlägt auf Lampedusa“ nennt sich eine Arbeitsgruppe, die von Hannover aus mittlerweile auch nach Lebach strahlt. Bei einer Lesung am Geschwister-Scholl-Gymnasium machten Schüler auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam.

 Fotos aus mehreren Jahren untermalen die Lesung der Schüler und zeigen, dass sich die Situation der Flüchtlinge auch nach der Tragödie 2013 nicht verändert hat. Foto: Barbara Scherer

Fotos aus mehreren Jahren untermalen die Lesung der Schüler und zeigen, dass sich die Situation der Flüchtlinge auch nach der Tragödie 2013 nicht verändert hat. Foto: Barbara Scherer

Foto: Barbara Scherer

Wellen umspielen die Küste der kleinen italienischen Insel Lampedusa. Malerisch liegt sie da, ein Motiv wie auf einer Postkarte. Die Bilder wechseln, es gibt Strände zu sehen und kleine Boote auf dem Meer. Doch immer wieder erscheinen auch andere Szenerien: Militärfahrzeuge , wartende Menschenmassen. Eine Gruppe sitzt auf dem Boden, eine andere geht mit Plastiktüten in den Händen den Strand entlang, der nun gar nicht mehr malerisch wirkt. Denn Lampedusa ist mehr als eine Touristen- und Fischerinsel im Mittelmeer. Am 3. Oktober 2013 sind direkt vor der Küste 366 Flüchtlinge ums Leben gekommen, als ihr Boot kenterte. An diese Ereignisse hat die szenische Lesung "Ein Morgen vor Lampedusa" in Lebach erinnert.

Aktion nach Lebach gebracht

Bei diesen Lesungen handelt es sich um ein Projekt der Arbeitsgruppe "Unser Herz schlägt auf Lampedusa" aus Hannover. Helmut Selzer von der Caritaseinrichtung in der Landesaufnahmestelle in Lebach hat die deutschlandweite Aktion entdeckt und nach Lebach gebracht. Zehn Schüler der elften Klasse des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Lebach haben sich daraufhin zusammengefunden, um die Texte von Antonio Umberto Riccò in der Aula ihrer Schule vor Publikum zu lesen.

Die Texte sind authentisches Material: Der Autor hat mit Einwohnern Lampedusas genauso gesprochen wie mit einigen der überlebenden Flüchtlinge . Viele haben ihr letztes Geld geopfert, um die Überfahrt überhaupt bezahlen zu können. Sie suchen "nach einer Zukunft in einer Welt ohne Krieg", erzählt einer der zu Wort kommenden Menschen, doch zunächst gibt es eine Zeit des Wartens und des Hungerns. Schließlich beginnt die Überfahrt, 500 Menschen auf einem 15 Meter langen Fischerboot. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, als jemand eine Decke entzündet. Viele Menschen, darunter junge Männer genauso wie Frauen und Kinder, verbrennen, berichtet einer der Überlebenden und erinnert sich an die Schreie.

Die Lesung wird unterbrochen von einer weiteren Bilderschau. Zu sehen sind Rettungsboote und notdürftig in Decken gehüllte Menschen. Zu jedem dieser szenischen Zwischenspiele ertönt die Musik, die Francesco Impastato eigens für das Projekt komponiert hat. Dann lesen die Schüler weiter, nun kommen die Inselbewohner zu Wort: der Kapitän eines Fischerboots, ein Arzt, ein Optiker und weitere. "Überall waren sie", die Menschen im Meer, erzählt einer. Sie haben versucht, sie zu retten, aber die Frauen und Männer sind bereits am Ende ihrer Kraft, können sich nicht festhalten, ertrinken vor den Augen der Fischer, ohne einen Schrei.

Die Fischer riskieren bei der Rettungsaktion ihre Existenz, denn ihnen droht eine Anklage wegen Begünstigung illegaler Flüchtlinge - "ein brutales Gesetz", bemerkt einer der Menschen. Dennoch entschließen sich die meisten, zu helfen. Der Einsatz der Küstenwache , so beschreibt es einer der Helfer, lässt dabei auf sich warten. Das ernüchternde Urteil: Es hätten mehr gerettet werden können, hätte die Küstenwache nicht nach Vorschrift gehandelt und zu lange abgewartet.

Mangelnde Hilfsbereitschaft

Von mangelnder Hilfsbereitschaft in ganz Europa berichtet auch das eingeblendete Nachwort am Ende der Lesung. Länder schließen ihre Grenzen und lehnen es ab zu helfen, während populistische Parteien immer mehr Zuspruch finden. Eines der letzten Fotos stellt auf einfache, aber eindringliche Art die Frage, wie es weiter gehen soll: Es zeigt eine Europa-Flagge, auf die jemand mit Farbe ein Fragezeichen aufgesprüht hat.

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