Ausgezeichneter Mut zur Inklusion

Speyer · Sie ist 20 Jahre alt und arbeitet in der Jugendherberge Speyer in der Küche. Das wäre nicht ungewöhnlich, wäre die junge Frau nicht Autistin. Für ihren Einsatz wurde die Herberge nun geehrt.

In der Großküche der Kurpfalz-Jugendherberge Speyer duftet es nach frisch gebratenen Zwiebeln und gekochten Tomaten. Es ist neun Uhr am Morgen und das Küchenteam bereitet das Mittagessen vor. Mit präzisen Schnitten zerteilt Louisa Rennholz eine Stange Lauch. "Heute gibt es Penne in Tomatensoße", sagt sie. Im Anschluss kontrolliert sie am Frühstücksbüfett, ob Wurst, Käse oder Marmelade aufgefüllt werden müssen.

Louisa absolviert seit einem Jahr eine Berufsqualifizierung im Bereich Hauswirtschaft. Die 20-Jährige ist Autistin. Ohne den Einsatz ihrer Mutter Simone Zickgraf und von Sabine Bormeth, der Integrationsberaterin der Fachdienste für Arbeit und Integration der Evangelischen Heimstiftung Pfalz, würde sie jetzt in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten. "Das kam für Louisa aber nie infrage", sagt ihre Mutter. Ihr größter Wunsch sei immer gewesen, in einem richtigen Betrieb zu arbeiten. "Wir sind dem Jugendherbergsteam unendlich dankbar, dass sie sich darauf eingelassen haben", sagt Zickgraf.

Für ihr Engagement wird die Kurpfalz-Jugendherberge belohnt. Wegen der beispielhaften Beschäftigung schwerbehinderter Menschen wurde die Einrichtung mit dem rheinland-pfälzischen Landespreis ausgezeichnet. "Für die Auswahl der Jugendherberge Speyer als zweiten Preisträger bei Betrieben mit unter 100 Beschäftigten sprach die hohe Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen von zwölfeinhalb Prozent statt der gesetzlich geforderten fünf Prozent", begründet das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung die Auszeichnung. Die Initiative zur Nominierung für den Landespreis ging von Simone Zickgraf aus. "Hier erfährt Louisa eine große Wertschätzung, die sie in ihrer Entwicklung positiv beeinflusst", begründet sie ihren Vorstoß. "In der Speyerer Jugendherberge wird eine beispielhafte Inklusion gelebt", ergänzt Integrationsberaterin Sabine Bormeth. Dem kann Louisa nur beipflichten: "Die Arbeit macht riesengroßen Spaß."

Die junge Autistin habe sich zu einer echten Hilfe entwickelt, berichtet Marco Böhm, der Leiter der Herberge. "Louisa ist positiv speziell", sagt der Jugendherbergschef. Das bestätigt auch Josef Rosenlechner, der Küchenchef und Anleiter der jungen Frau: "Sie bereichert unser Team enorm und ist mittlerweile ein dickes Plus für unsere Arbeitsgemeinschaft, vor allem menschlich." Die anfänglichen Berührungsängste beiderseits seien schnell verflogen.

In ihrem Arbeitsalltag wird die junge Frau täglich von Integrationshelfern unterstützt. Eine von ihnen ist Christina Selinger. Zweimal wöchentlich steht sie Louisa zur Seite. Die gelernte Kinderkrankenschwester sieht starke Fortschritte bei ihrem Schützling: "Früher hatte sie noch Probleme damit, auf Fremde zuzugehen", sagt sie. Mittlerweile habe sie sogar schon Gäste bedient. Weitere Aufgabenbereiche sollen nun Schritt für Schritt folgen.

Finanziert wird die Qualifizierungsmaßnahme über das sogenannte "Persönliche Budget", das die Agentur für Arbeit bereitstellt. Die Leistungsempfänger erhalten einen bestimmten Geldbetrag, von dem sie und ihre Familien die Aufwendungen bezahlen, die zur Deckung ihres persönlichen Hilfebedarfs erforderlich sind, erklärt Sabine Bormeth und führt weiter aus: "Im Fall von Louisa sind das neben den Integrationshelfern auch Arbeitskleidung sowie theoretischer Privatunterricht zu Hause." Die Übernahme in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, das von Arbeitsagentur und Sozialamt gefördert wird, sei das erklärte Ziel der Maßnahme.

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