Ex-SPD-Chef im Sympathie-Hoch Diplomatie mit Megafon bringt Gabriel Comeback

BERLIN (dpa) Es wird ein ungewohntes Gefühl für Sigmar Gabriel sein. Zum ersten Mal seit acht Jahren hat er morgen in Dortmund auf einem SPD-Parteitag nur die Rolle des Zuschauers. Seit 2009 hielt er als Parteivorsitzender immer eine der zentralen Reden.

BERLIN (dpa) Es wird ein ungewohntes Gefühl für Sigmar Gabriel sein. Zum ersten Mal seit acht Jahren hat er morgen in Dortmund auf einem SPD-Parteitag nur die Rolle des Zuschauers. Seit 2009 hielt er als Parteivorsitzender immer eine der zentralen Reden.

Sein letzter großer Auftritt als SPD-Chef war im März bei der Krönungsmesse von Martin Schulz. In Dortmund will Gabriel nur noch zuhören. Der Programmparteitag soll Schulz-Tag sein. Mal sehen, ob sich der Außenminister daran hält.

Er ist jedenfalls auffällig bemüht, Schulz nicht in die Wahlkampf-Parade zu fahren. Sie telefonieren jeden Tag, stimmen ihre Interviews miteinander ab. Gabriel sagt in seinen Interviews dann Sätze wie: „Ich unterstütze ausdrücklich, was der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dazu gesagt hat.“ Oder: „Er ist der Vorsitzende, deshalb hat er Anspruch darauf, dass ihm alle anderen zuarbeiten. Auch ich.“

Gabriel hat kein Problem damit, dass im Wahlkampf Schulz der Koch und er der Kellner ist. Das sagt er jedenfalls. Aus der Parteispitze gab es zuletzt dezente Hinweise an Gabriel, es nicht zu übertreiben. Es helfe Schulz nicht wirklich, wenn der zur Hyperaktivität neigende Ex-Vorsitzende ihm ständig gut gemeinte Ratschläge und Papiere schicke.

Aber was soll Gabriel machen? Bei den außenpolitischen Themen ist er einfach lauter, härter, schneller als Schulz. Als Trump den G7-Gipfel in Sizilien zum Scheitern brachte, war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar die erste, die mit ihrer Kritik an dem nicht mehr ganz verlässlichen Partner USA für Aufsehen sorgte. Gabriel legte aber blitzschnell nach und setzte noch einen drauf. Die USA seien „kein wichtiges Land mehr“, sagte er. Und: „Der Westen ist kleiner geworden.“ Schulz kam bei dem Thema nicht vor.

Im Streit mit der Türkei um das Besuchsverbot für Abgeordnete bei den deutschen Soldaten in Incirlik hätte Schulz eigentlich viel früher den sofortigen Abzug der Bundeswehr fordern können. Die SPD hätte er dabei jedenfalls voll und ganz hinter sich gehabt. Er tat es nicht. Dafür legte Gabriel sich zuerst mit Merkel an, startete dann zu einem letzten Einigungsversuch nach Ankara, nach dessen Scheitern er dann selbst den Abzug verkündete.

Fast fünf Monate ist es jetzt her, dass Gabriel seinen Parteifreund Frank-Walter Steinmeier im Auswärtigen Amt ablöste. Seitdem hat er die Außenpolitik umgekrempelt. Steinmeier verstand sich immer als Chefdiplomat, der sich mühsam in alle Details kleinteiliger Verhandlungen hineinarbeitete. Gabriel hat seine Vorstellung von Außenpolitik dagegen so beschrieben: „Ich bin ja kein gelernter Diplomat, sondern so ein richtiger Politiker. Deswegen sage ich Ihnen, was mir begegnet.“ Es ist eine Außenpolitik, in der Politik wieder groß geschrieben wird – und die Diplomatie für einige im Auswärtigen Amt vielleicht zu kurz kommt. Es ist eine Außenpolitik, die nicht nur an Verhandlungstischen hinter verschlossenen Türen stattfindet, sondern auf offener Bühne zuweilen mit dem Megafon gemacht wird.

Bisher fährt Gabriel gut damit – zumindest im Inland. Hier erfährt er ein Comeback. In allen Umfragen ist er in den Kreis der beliebtesten Politiker aufgestiegen, während Schulz abgestürzt ist. Die SPD kommt im jüngsten „Stern-RTL-Wahltrend“ nur noch auf 23 Prozent. Kurz vor ihrem Parteitag ist sie damit wieder auf dem Niveau angekommen, auf dem sie unter dem Parteichef Gabriel war.

Der Goslarer ist jetzt 57. Er will in der ersten Reihe bleiben – gerne als Außenminister. Ob daraus etwas wird, hängt vom Wähler – und von Schulz ab.

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