Erste Frau jemals in der Zweibrücker Stadtspitze Christina Rauch gewinnt Wahl-Krimi

Zweibrücken · Erstmals zieht eine Frau in den Zweibrücker Stadtvorstand ein. Die Christdemokratin siegt erst im dritten Wahlgang gegen Norbert Pohlmann (Grüne). Wegen Dirk Schneider schafft es Thilo Huble (SPD) nicht mal in die Stichwahl.

 Um 21.22 Uhr erfuhr Christina Rauch (Mitte), dass sie hauchdünn zur künftigen hauptamtlichen Beigeordneten gewählt ist, CDU-Fraktionskollegen applaudieren.

Um 21.22 Uhr erfuhr Christina Rauch (Mitte), dass sie hauchdünn zur künftigen hauptamtlichen Beigeordneten gewählt ist, CDU-Fraktionskollegen applaudieren.

Foto: Lutz Fröhlich

Historischer Tag im Zweibrücker Stadtrat: In der wohl knappsten und spannendsten Wahl dort aller Zeiten hat Christina Rauch (CDU) die Wahl zur hauptamtlichen Beigeordneten gewonnen. Die Gymnasiallehrerin und CDU-Fraktionschefin wird damit zum 1. Januar Nachfolgerin des in Pension gehenden Henno Pirmann (SPD).

Dafür waren allerdings drei Wahlgänge nötig – und intensive Analysen von Gemeindeordnung und Geschäftsordnung. Nach dem ersten Wahlgang hatte Rauch mit 13 Stimmen zwar schon zwei mehr, als die CDU Sitze hat, war von einer Mehrheit im zu diesem Zeitpunkt 37-köpfigen Rat aber noch weit entfernt. Der offizielle SPD-Kandidat Thilo Huble (SPD) bekam mit acht Stimmen zwar die zweitmeisten, schaute aber bedröppelt, denn es saßen zehn Sozialdemokraten im Rat. Auf Platz drei landete trotz einer fahrigen Vorstellungsrede sensationell SPD-Rebell Dirk Schneider mit sechs Stimmen. Norbert Pohlmann (Grüne, 5), Thomas Körner (FWG 2), Aaron Schmidt (Die Partei/Linke, 2) und Atilla Eren (fraktionslos, 1) erhielten offensichtlich nur die Stimmen ihrer eigenen Leute.

Die SPD rief deshalb die sichtlich angeschlagene Theresa Wendel vom Krankenbett, um Huble im zweiten Wahlgang bessere Karten zu verschaffen. Mit wenig Erfolg: Nach dem Rückzug von Körner und Eren landete Rauch bei 19 Stimmen, Huble und Pohlmann bei jeweils 9, Schneider 1 und Schmidt 0. Im dritten Wahlgang durften nur noch die beiden KandidatInnen mit den meisten Stimmen antreten. Zunächst hieß es aus Verwaltungsreihen, zwischen Huble und Pohlmann müsse das Los entscheiden – ziehe sich einer der beiden zurück, müsse die Wahl völlig von vorn beginnen. Nach einiger Beratung und Paragraphen-Lektüre war klar: Ein Rückzug ist doch möglich. Da in der SPD niemand mehr erwartete, dass Schneider für Huble stimmen würde und Pohlmann offensichtlich auch sonst bessere Chancen gegen Rauch als Huble eingeräumt wurden, gab der Kultur- und Verkehrsamtsleiter mit tränenerstickter Stimme auf: „Ich ziehe die Kandidatur zurück.“

Sie bilden ab Januar den Zweibrücker Stadtvorstand (von links): Marold Wosnitza (SPD), Christina Rauch und Christian Gauf (beide CDU).

Sie bilden ab Januar den Zweibrücker Stadtvorstand (von links): Marold Wosnitza (SPD), Christina Rauch und Christian Gauf (beide CDU).

Foto: Lutz Fröhlich

Nach den bisherigen Abstimmungen deutete nun viel auf ein 19:19-Patt im zweiten Wahlgang hin. Doch offensichtlich wollte einer der Abstimmenden vermeiden, dass das Los über die Nummer drei im Stadtvorstand entscheidet, und änderte seine Präferenz: Rauch setzte sich mit 20:18 gegen Pohlmann durch.

Rauchs Vorstellungsrede wirkte am geschliffensten und inspirierendsten. Gleich eingangs machte sie auf die historische Bedeutung aufmerksam, die ihre Wahl hätte: „Vor 99 Jahren wurden Minna Frank und Frieda Rücker als erste Frauen in den Stadtrat gewählt. Ich bin stolz, heute als erste Frau als Beigeordnete zu kandidieren.“ Als Arbeitsphilosophie kündigte sie an: „Ich plädiere für Mut und Gestaltungsfreude in der Stadtvorstands- und -ratsarbeit.“ Inhaltlich sparte Rauch nicht mit Versprechungen, was sie mit ihren Stadtvorstandskollegen, Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) und Christian Gauf (CDU) „in enger Zusammenarbeit diskutieren und voranbringen“ wolle. „Wir geben den Zweibrückerinnen und Zweibrückern eine Wohlfühlgarantie“, sagte Rauch. Denn nur, wenn sich Menschen hier wohlfühlen, lasse sich Bevölkerungsschwund und Überalterung stoppen. So werde sie wohnungspolitisch „konkrete Konzepte“ vorlegen, wie man mit „geringem Flächenverbrauch“ energetisch gute Neubauten schaffe. Überhaupt sei ihr Klimaschutz wichtig, denn „wir spüren den Klimawandel konkret in unserem Leben“. Auch die Digitalisierung insbesondere von Stadtverwaltung (wo sie „eine ganz neue Serviceorientierung“ anstrebe) und Schulen wolle sie vorantreiben. Die Stadt brauche „ein klar ausgerichtetes Stadtmarketing zur Wirtschaftsförderung und Belebung der Innenstadt, auch mit Freizeit-Angeboten – Aktionismus reicht nicht.“ Gesellschaftlich solle Zweibrücken „wieder mehr von Fairness und Gleichheit geprägt“ sein. Beruf und Familie seien oft immer noch nicht gut genug vereinbar. Jugendliche „egal welcher Herkunft“ müssten besser gefördert werden, „das Essen in den Kitas und Schulen besser werden“.

Thilo Huble hob in seiner Vorstellungsrede wie schon beim SPD-Parteitag seine Verwaltungserfahrung hervor. „Aktives Steuern und Handeln“ seien seien Stärken, „ich weiß wie eine Verwaltung tickt und kann mich schnell einarbeiten“. Inhaltlich setzte Huble ähnliche Akzente wie Rauch, wirkte dabei aber nüchterner.

Norbert Pohlmann sagte: „Ich möchte mehr grüne Ideen in den Stadtvorstand bringen. Vor dem Hintergrund der Stimmverluste von SPD und CDU erheben wir den Anspruch, eine weitere Farbe in den Stadtvorstand zu bringen.“ Politisch müsse die Stadt „mehr agieren als reagieren“ und brauche „klare Entwicklungsziele“. Beim Verkehr müssten die Bedingungen für Fußgänger, Rad- und Busfahrer besser werden: „In der Stadt sind immer mehr größere Autos unterwegs, so geht es nicht weiter – wir brauchen mehr Raum für Menschen als für Autos!“

Norbert Pohlmann (links) gratuliert nach der Stichwahl Christina Rauch.

Norbert Pohlmann (links) gratuliert nach der Stichwahl Christina Rauch.

Foto: Lutz Fröhlich

Dirk Schneider nutzte seine Rede zu einem Rundumschlag gegen die Zweibrücker Politik. Die Kandidaten-Aufstellung der SPD sei formell nicht korrekt gelaufen, der Stadtrat rede Dinge immer wieder tot, die Verwaltung lasse vieles schleifen, sei bürgerfern und wenig transparent. Und in Zweibrücken gebe es 55 Ausreisepflichtige, „da müssen wir vielleicht den Notstand ausrufen, wir geben allein für die Ausreisepflichtigen über eine Million aus“, hier brauche man Hilfe vom Land, um schneller abzuschieben. Mit seiner Rede holte Schneider im ersten Wahlgang vermutlich auch AfD-Stimmen. AfD-Fraktions-Pressesprecher Walter Buchholz sagte jedenfalls dem Merkur, Schneider habe „die beste Rede gehalten, es war toll, dass er die Finger in die Wunden legt“. Einen so „kritischen Mann“ würde er gerne in der AfD-Fraktion aufnehmen, „wenn er uns fragen würde“. Schneider bezweifelte dagegen, dass die AfD für ihn gestimmt habe.

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