„Killer im Straßenverkehr“

Goslar · Posten, Twittern, Texten, Googeln: Viele Autofahrer nutzen das Smartphone auch während der Fahrt. Fachleute wollen die steigende Zahl der Unfälle durch Ablenkung mit härteren Mitteln eindämmen.

 Durchs Smartphone abgelenkte Fahrer verursachen häufiger Unfällen, sagen Automobilclubs. Foto: dpa

Durchs Smartphone abgelenkte Fahrer verursachen häufiger Unfällen, sagen Automobilclubs. Foto: dpa

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Angesichts von immer mehr Unfällen durch ´Smartphone-Nutzung am Steuer sprechen sich Verkehrsexperten einhellig für eine härtere Bestrafung bis hin zum Fahrverbot aus. Der 55. Verkehrsgerichtstag, der am Donnerstag und Freitag in Goslar tagt, befasst sich unter anderem mit dem Thema "Unfallursache Smartphone".

"Smartphones haben sich zu einem echten Killer im Straßenverkehr entwickelt", sagt der Experte für Verkehrssicherheit beim Auto Club Europa (ACE), Gert Schleichert. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), Christian Kellner, ergänzt: "Multitasking ist ein Mythos. Die meisten Menschen sind sich des großen Risikos überhaupt nicht bewusst, dass sie durch die Nutzung der Geräte eingehen." Die Zahl der Unfälle durch solche Ablenkungen steige.

Wer ohne Freisprecheinrichtung telefoniere, SMS tippe oder Nachrichten lese, solle ein Vielfaches des bisherigen Bußgeldes von 60 Euro zahlen, fordert der Verband. Zudem müsse das bisherige Handy-Verbot auf andere elektronische Geräte ausgeweitet werden. Im DVR sind rund 200 Verkehrsorganisationen, Verbände, öffentliche Einrichtungen und Autoclubs organisiert.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft plädiert für höhere Strafen: "Die Bußgeldsätze sollten drastisch erhöht werden." Handlungsbedarf sehen auch die Autoclubs. Viele Fahrer hätten die "Illusion, die Situation jederzeit unter Kontrolle zu haben", sagte ADAC-Expertin Kristina Benecke.

Diverse Studien zeigten, dass die Ablenkung durch Informations-, Kommunikations- oder Unterhaltungsmedien im Fahrzeug eine relevante Unfallursache sei, sagt auch ADAC-Expertin Kristina Benecke. Auch der ADAC empfehle deshalb, über den bisherigen Rahmen der Sanktionen nachzudenken und dabei auch über Fahrverbote zu sprechen. Zudem sollte das derzeitige Handyverbot auf alle mobilen Kommunikationsgeräte ausgeweitet werden. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) hat ebenfalls eine "dramatische Zunahme des Phänomens" beobachtet. Eine Untersuchung des AvD habe ergeben, dass 53 Prozent der Befragten während der Fahrt schon Nachrichten eingetippt und sogar 72 Prozent Nachrichten gelesen haben.

Zur genauen Zahl der durch Smartphone-Ablenkung verursachten Unfälle in Deutschland gibt es nach Angaben des Verkehrssicherheitsrates zwar keine verlässlichen Angaben. Die Experten sind sich aber einig, dass die Zahl weiter steigt.

Das aktuelle Bußgeld halte immer weniger Autofahrer davon ab, am Steuer zum Smartphone zu greifen, sagt Gert Schleichert. Einen Grund für die zahlreicher werdenden Handyverstöße sieht er im geringen Risiko, entdeckt zu werden. "Wer etwas für die Verkehrssicherheit tun möchte, muss deshalb die polizeiliche Verkehrsüberwachung kräftig ausbauen und die Befugnisse der Polizei erweitern", so ACE-Fachmann Schleichert.

Mehr Kontrollen

Auch der Verkehrssicherheitsrat plädiere für mehr Kontrollen, sagte Hauptgeschäftsführer Kellner. Zudem sollte die Polizei Smartphones leichter einziehen und auswerten können, wenn der Verdacht besteht, dass deren Nutzung die Ursache eines Unfalls gewesen sein könnte. Unabhängig davon sollten die Hersteller verpflichtet werden, die Nutzung mobiler Kommunikationsgeräte bei der Fahrt zu unterbinden. Der AvD sprach sich für eine gesetzliche Pflicht zum Einbau von Freisprechanlagen in Fahrzeugen aus. Zudem sollten im Straßenverkehr grundsätzlich nur noch sprachgesteuerte Kommunikationsgeräte genutzt werden dürfen. Ähnlich sieht es ADAC-Expertin Benecke: In Fahrzeugen verbaute Geräte sollten so gestaltet sein, dass die Bedienung nicht mehr ablenkt als das Setzen des Blinkers oder Bedienen des Radios.

Der Präsident des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm , wird in seinen Forderungen noch deutlicher: "Grundsätzlich sollte die Nutzung sämtlicher Geräte während der Fahrt verboten werden, die nicht unbedingt zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs erforderlich sind." Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins plädiert dafür, dass die "Hersteller von Fahrzeugen und Mobilgeräten technische Lösungen anbieten, damit Autofahrer ohne Ablenkung kommunizieren können". Härtere Strafen für Smartphone-Sünder halten die Verkehrsanwälte dagegen für nicht erforderlich. Wichtiger sei die Aufklärung über die Risiken.

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