Neuer Kampf gegen Steuerflucht

Brüssel · Nach der Affäre um massive Vergünstigungen für Großkonzerne in Luxemburg nimmt die EU einen neuen Anlauf im Kampf gegen Steuerflucht. Doch dagegen gibt es großen Widerstand.

Die EU-Kommission gibt sich entschlossen: Steuer-Schlupflöcher für Unternehmen sollen gestopft und eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Abgaben geschaffen werden. Gestern wurde der erste Entwurf vorgestellt, der einem einfachen Prinzip folgt: "Alle Unternehmen - ganz gleich, ob sie groß oder klein, weltweit tätig oder ortsgebunden sind - haben ihren gerechten Anteil an Steuern dort zu zahlen, wo die wirtschaftlichen Aktivitäten tatsächlich stattfinden und die Gewinne erwirtschaftet werden", umriss Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrowskis seine Zielvorstellungen. Doch die Mitgliedstaaten wehren sich seit Jahren gegen solche eine Steuerharmonisierung.

E rstmals zog man in Brüssel Konsequenzen und veröffentlichte zusammen mit dem Vorschlag eine Liste von 30 Staaten, die jede Kooperation verweigern: Dazu zählen Andorra, Liechtenstein, Monaco, die Kanalinsel Guernsey sowie die Bahamas und die Cayman-Islands. Auch nach der Aufdeckung der Praktiken von Konzernen, die ihre Steuern lieber in kleinen Paradiesen wie Luxemburg zahlten, ist die Bereitschaft zur Abschaffung der Billiglösungen in Steuerfragen nicht ausgeprägt. Daran konnte nicht einmal der vom EU-Parlament eingesetzte Sonderausschuss zur sogenannten Lux-Leaks-Affäre etwas ändern .

"W ir treten auf der Stelle", sagte der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU ). "Eigentlich wollten wir in die Hauptstädte fahren, Befragungen durchführen, Unternehmensspitzen sprechen. Die Erfolge sind bescheiden." Sein FDP-Kollege Michael Theurer bestätigt: "Große Konzerne teilen uns mit, es gebe niemanden, den man uns für eine Befragung schicken könnte." Da das Parlament keinen mit allen Vollmachten ausgestatteten Untersuchungsausschuss, sondern nur ein Sonder-Gremium eingesetzt hat, gibt es kein Recht auf Akteneinsicht oder gar eine Möglichkeit, Finanzminister der Mitgliedstaaten zur Rede zu stellen. Die Wut ist mit Händen zu greifen. Theurer: "Ich bin inzwischen dafür, dass Firmen, die ihre Zusammenarbeit verweigern, auf eine schwarze Liste kommen. Wenn die Unternehmen Lobbying betreiben wollen und unsere Gesetzesarbeit begleiten, haben sie ja auch Zeit. "

Die Struktur ist absichtlich so gewählt. Offensichtlich soll verhindert werden, dass der frühere luxemburgische Regierungschef und heutige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor den Ausschuss zitiert wird. Ferber bestätigt den Verdacht, die geringen Wirkungsmöglichkeiten des Ausschusses seien "von höchster Stelle gewünscht". Dass sich Kommission, Mitgliedstaaten und das Parlament stattdessen mit einem neuen Richtlinienentwurf beschäftigen, der den Schutz von Geschäftsgeheimnissen verbessern soll, passt ins Bild. "Dies ist ein Versuch, kritische Journalisten mundtot zu machen", sagte ein Mitglied des Rechtsausschusses. Tatsächlich muss der französische Journalist Eduoard Perrin, der zusammen mit einem Kollegen die Lux-Leaks-Enthüllungen veröffentlicht hatte, mit einem Verfahren und sogar einer G efängnisstrafe rechnen.

Meinung:

Schaden durch Niedrigsteuern

Von SZ-Korrespondent Detlef Drewes

Natürlich müssten Firmen dort Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne erzielen. Was die EU-Kommission da gestern als Konsequenz aus den Enthüllungen über Steuer-Schlupflöcher präsentierte, war wenig überraschend. Aber die wichtigste Frage kann nicht in Brüssel beantwortet werden: Wie bringt man die Mitgliedstaaten dazu, ihre vielfältigen Sonderregelungen und Billig angebote an Konzerne abzuschaffen? Luxemburg ist ja kein Einzelfall. Dabei müssten die Mitgliedstaaten wissen, dass sie sich gegenseitig schaden. Niedrigsteuer-Paradiese sind nichts anderes als Steuerbetrug am Nachbarn. Wenn diese Situation beendet würde, hätten alle etwas davon.

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