Merkels Credo, Seehofers Dilemma

Gmund · Drei Bluttaten in Bayern wühlen die Menschen auf. Merkels optimistisches Mantra will der CSU-Chef da einfach nicht mehr hören. Können sie überhaupt noch zusammenfinden – zumindest in Zeiten des Terrors?

Angela Merkel glaubt, dass Deutschland die Flüchtlings-Herausforderung bewältigt, Horst Seehofer fordert Belege. Foto: Hoppe/dpa

Angela Merkel glaubt, dass Deutschland die Flüchtlings-Herausforderung bewältigt, Horst Seehofer fordert Belege. Foto: Hoppe/dpa

Foto: Hoppe/dpa

Nein, Horst Seehofer will sich gar nicht groß dazu äußern. Aber das Wenige, was er sagt, sagt alles. "Ich kann mir diesen Satz auch beim besten Willen nicht zu eigen machen", erklärt der CSU-Chef zum wiederholten "Wir schaffen das"-Appell von Kanzlerin Angela Merkel (CDU ). Er bemüht sogar seinen Amtseid, seinen Schwur, Verantwortung für die Menschen in seinem Bundesland zu übernehmen. Mit dem Merkel-Satz würde er dem nicht gerecht.

Der Schock über drei Gewaltakte in Bayern innerhalb einer Woche ist dem Ministerpräsidenten zwar inzwischen einigermaßen aus dem Gesicht gewichen. Aber er betont , dass die längste Kabinettsklausur in der Geschichte der bayerischen Staatsregierung (fünf Tage) geprägt war von den "brutalen Bluttaten ". "Deshalb wird sie für alle Kabinettsmitglieder unvergesslich bleiben", sagt er in St. Quirin am Tegernsee.

Das Bayern von heute ist nicht mehr das Bayern von vor zwei Wochen: Die Axt-Attacke von Würzburg, der Amoklauf von München und der Bombenanschlag von Ansbach haben den Freistaat, wie Seehofer sagt, "ins Mark getroffen". Er hatte schon im Laufe der Woche angekündigt, dass er nicht mehr bereit sei, "nur um des Friedens willen einfach die Dinge nicht so zu behandeln, wie sie behandelt werden müssen in einem Rechtsstaat". Seehofer will jetzt Taten statt Worte.

"Wir schaffen das" war in seinen Ohren von Beginn an eine hohle Phrase. Wie denn, wollte er von Merkel hören, und Unterstützung bekommen. Doch zu stark kann er gegen diesen Satz nicht ankämpfen, denn der Umkehrschluss wäre: "Wir schaffen es nicht." Das wäre für einen Regierungschef eine Bankrotterklärung und ein Rücktrittsgrund. Genau deshalb hält Merkel ja auch daran fest. Die CSU aber will verbindlich wissen: Wie, bitte, schaffen wir es?

Seehofer geht so deutlich wie möglich auf Distanz zum prägenden Satz von Merkels Kanzlerschaft. Nach den mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlägen zweier Flüchtlinge in Würzburg und Ansbach kann Seehofer der Kanzlerin nicht entgegenkommen. Zu aufgewühlt sind viele Bürger, zu kritisch wird Merkels "Wir schaffen das" seit langem an der CSU-Basis gesehen - und die Kanzlerin insgesamt.

Seehofer will mit einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr sicherstellen, dass der Zuzug auf Dauer gedeckelt wird. Doch Merkel wird darauf niemals eingehen. Da hat sie sich aus humanitären und rechtlichen Gründen festgelegt.

Am Freitag hatte Seehofer noch Finanzminister Markus Söder (CSU ) vorgeschickt, der Merkel indirekt "Blauäugigkeit" vorwarf. Seehofer weiß aber auch: In Zeiten von Terror wollen die Bürger kein Parteiengezänk - noch dazu zwischen Kanzlerin und CSU-Chef. Nicht jetzt, da - das sagt auch Merkel - der islamistische Terror in Deutschland angekommen ist.

Merkel und er wollten fair miteinander umgehen, sagt Seehofer. "Aber ich will der Öffentlichkeit auch nicht die Unwahrheit sagen." Da ist es dann wieder - Seehofer kann nicht anders. So wenig wie Merkel.

Wie weit der Dissens am Ende gehen kann ist noch offen. Möglicherweise kommt erstmals wirklich der oft beschworene Bruch der Schwesterparteien CDU und CSU . Es sei nicht ausgeschlossen, dass er zur Bundestagswahl als Spitzenkandidat der CSU antrete, sagte er. Vielleicht nur Rhetorik, vielleicht auch mehr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort