Franziskus baut auf die Jugend

Krakau · Deutlich wie selten hat Papst Franziskus beim Weltjugendtag in Krakau die Besucher ins Gebet genommen. Statt Sofa-Jugendlicher, die sich einlullen lassen, brauche es eine Generation, die Spuren hinterlasse.

Noch einmal wird Papst Franziskus deutlich. "Nein zum Doping des Erfolgs um jeden Preis" sollten die Jugendlichen sagen und "zur Droge eines Denkens, das nur um sich selbst und die eigenen Annehmlichkeiten kreist", sagte der Papst beim Abschlussgottesdienst des Weltjugendtags in Krakau - 1,5 Millionen Menschen nahmen an der Messe unter freiem Himmel teil.

Gott beurteile die Menschen nicht nach Äußerlichkeiten, sagte der Papst: "In seinen Augen ist es absolut unbedeutend, welches Kleid du trägst oder welches Handy du benutzt." Für Gott sei jeder Einzelne wertvoll, sagte Franziskus bei der Messe.

Schon am Vorabend hatte Papst Franziskus bei einem Abendgebet die Jugend aufgerufen, "Vorreiter der Geschichte" zu sein. "Liebe junge Freunde, wir sind nicht auf die Welt gekommen, um zu vegetieren, um es uns bequem zu machen, um aus dem Leben ein Sofa zu machen, das uns einschläfert", sagte der Papst. Ein Sofa, "um uns in die Welt der Videospiele zu begeben und Stunden vor dem Computer zu verbringen", fuhr der 79-Jährige fort. Es sei für viele einfacher, "duselige und benommene Jugendliche zu haben". In der heutigen Zeit brauche es aber keine "Sofa-Jugendlichen, sondern junge Menschen mit Schuhen, noch besser mit Stiefeln an den Füßen", um Spuren zu hinterlassen. So nachdrücklich hatte noch kein Papst die Jugendlichen zum Aufruhr ermuntert. Den moralischen Zeigefinger ließ Franziskus unten. Seine Wortwahl war auch für seine Verhältnisse bisweilen ungewöhnlich salopp.

Für die polnische Regierung waren die Worte des Papstes alles andere als bequem: Immer wieder kam Franziskus auf Flüchtlinge zu sprechen. In seiner Rede vor Regierungsvertretern forderte er Polen mit deutlichen Worten zur Aufnahme von Flüchtlingen auf. Und in einem Gebet bat er später darum, dass der Terrorismus nicht zur Fremdenfeindlichkeit führen dürfe. Die polnische Regierung hatte ihre Weigerung zur Aufnahme von Flüchtlingen im November 2015 mit den islamistischen Anschlägen von Paris begründet. Auch die katholische Kirche des Landes, der Kritiker vorwerfen, sie engagiere sich nicht genug für Flüchtlinge, nahm der Papst ins Gebet. Er forderte vor Priestern und Ordensleuten eine "Kirche im Aufbruch", die sich um Migranten und die Schwächsten in der Gesellschaft kümmere.

Von dem Appell des Papstes, Flüchtlinge aufzunehmen, sah sich die polnische Regierungschefin Beata Szydlo nicht angesprochen. "Diejenigen, die Polen kritisieren (...), werden sicher sagen, na bitte, Papst Franziskus ist gekommen und hat Polen belehrt." Es gebe aber auch andere, die darauf hinwiesen, dass Polen Ukrainer aufgenommen habe. Das EU-Land weigert sich, Flüchtlinge aus muslimischen Staaten wie Syrien oder Afghanistan aufzunehmen. An ihrer Flüchtlingspolitik wolle sie auch nach den Ermahnungen des Papstes nicht ändern. Außerdem sei dem Land der polnische Papst Johannes Paul II. (1920-2005) näher. Franziskus zeige Größe in seiner Einfachheit, sagte die nationalkonservative Politikerin dem Sender Radio Krakow. "Johannes Paul ist vor allem unser polnischer Papst und wird für uns immer am wichtigsten sein."

Der schwerste Gang der Polen-Reise von Franziskus führte nach Auschwitz. Als dritter Papst besuchte Franziskus das frühere Konzentrations- und Vernichtungslager, um dort für die Opfer des Holocaust zu beten. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern machte er seine Ankündigung wahr und hielt keine Rede, sondern schwieg konsequent.

Meinung:

Kein Gehör bei Polens Spitze

Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläger

Polens Regierungschefin Beata Szydlo hätte es deutlicher nicht sagen können: Polens Papst ist und bleibt für immer Johannes Paul II. Nachfolger haben für die Konservative keine Autorität mehr. Die Kühle, mit der Szydlo den Papst abbügelt und ihm gerade mal zugesteht, in seiner Einfachheit Größe zu zeigen, wirkt besonders krass, wenn man gleichzeitig sieht, welch Heiligenkult um den früheren Papst in Polen getrieben wird. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Jugendlichen Besucher dem Papst und seinen Worten mehr Gehör schenken.

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