Die Befindlichkeits-Politiker

Selten menschelte es mehr in der Saar-Politik: Die gestrige Landespressekonferenz diente als Ventil, das hatte was von Dreckige-Wäsche-Waschen. Befindlichkeiten hätten die Macht-Frage entschieden, behaupten nicht nur Pressemitteilungen der Saar-SPD. Wer mit wem kann. Oder, schlimmer: Wer wen platt machen will? Oskar Lafontaine Heiko Maas? "Es wird ihm nicht gelingen

Selten menschelte es mehr in der Saar-Politik: Die gestrige Landespressekonferenz diente als Ventil, das hatte was von Dreckige-Wäsche-Waschen. Befindlichkeiten hätten die Macht-Frage entschieden, behaupten nicht nur Pressemitteilungen der Saar-SPD. Wer mit wem kann. Oder, schlimmer: Wer wen platt machen will? Oskar Lafontaine Heiko Maas? "Es wird ihm nicht gelingen." Das ist der letzte Satz des SPD-Fraktionschefs im überfüllten Saal 5 des Saar-Landtags. Und er klingt kein bisschen kämpferisch. "Ich bin auch nur ein Mensch und keine Maschine", hatte er zuvor gesagt, auch zugelassen, dass man das sieht und hört. Die Stimme hängt im Keller, die Augen sind gesenkt, die Arme dienen als Schutzschild und Stützkorsett. Maas ist nicht nur niedergeschlagen, er ist schockiert. Sein Präsidium hat ihm, wie er berichtet, in der Nacht eine Entscheidung abgekämpft: den Karren weiterzuziehen. Obwohl Maas doch für einen nie dagewesenen Wähler-Absturz der Saar-SPD steht, vielleicht sogar für einen fatalen strategischen Fehler, als er die große Koalition ausschloss. Geradlinigkeit wird bestraft, seine Erfahrung. Vertrauen auch? Doch harte Bandagen will Maas nicht gegen die "Linke" anziehen oder den Mann, der ihn nun bereits zum zweiten Mal das Ministerpräsidenten-Amt gekostet hat: "Die Gegner sitzen in der Regierung", verkündet er. So erklärt er sich auch seine Motivation: "Jamaika steht für all das, was ich verabscheue: Verlogenheit und Beliebigkeit. Ich will mit der SPD die Alternative sein." Maas teilt durchaus auch aus, nennt das Verhalten von Grünen-Chef Hubert Ulrich, der nie was anderes als Jamaika gewollt habe, "absurd und betrügerisch", beschreibt sein "Winseln" um SPD-Leihstimmen vor der Landtagswahl und die Stillosigkeit, "wenn einer (Ulrich) nicht mal den Mumm und den Charakter" hat, anzurufen, um die Entscheidung mitzuteilen. Jetzt gebe es nichts mehr zu reden. Bitterkeit - welch ein Kontrast zur Tonlage eines Lafontaine. Statt einer Fehleranalyse feuert er eine Abwertungs-Kanonade auf die Grünen, spricht von "Charakterlosigkeit", "Prinzipienlosigkeit", von "Uninformiertheit" und "Ahnungslosigkeit" in Sach-, vor allem in Finanzfragen: "Für die Haushalts-Probleme des Landes haben die Grünen kein Konzept." Und: Es sei "an Dummheit und Dreistigkeit nicht zu überbieten", wenn eine 5,9-Prozent-"Zwergenpartei" der Linken den Fraktionsvorsitzenden vorschreiben wolle. Dass er, Lafontaine, der Sprengmeister der rot-rot-grünen Machtoption sein könnte, bügelt er ab. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe, dass er die Berliner Doppelfunktion aufgeben wolle, habe "nullkommanull" mit den Sondierungsgesprächen an der Saar zu tun. Sondern lediglich mit der Linken-Klausurtagung in Rheinsberg. Eine Basta- und Schlusstrich-Haltung. Nach dem machtvollen Ankläger Lafontaine tritt die FDP arg dezent auf. Der moderate Fraktions-Vize Karl Josef Jochem formuliert lediglich den Wunsch, dass seine Partei in der Koaliton "nicht schlechter gestellt wird als die Grünen", sprich zwei Ministerien bekommt. Man sei inhaltlich mit allem einverstanden, was die Grünen wollten. Da darf deren Frontmann wohl so entspannt sein, wie er es gestern demonstrierte. An Ulrichs staatsmännischer Fassade prallten die Umfaller-Vorwürfe ab: "Hätte es für eine Ampel gereicht, wäre Maas heute schon Ministerpräsident." Ulrichs Vokabular bleibt höflich: Eine "vollkommene Unmöglichkeit" sei es gewesen, dass Lafontaine die beiden zukünftigen Koalitionspartner nicht informiert habe. Seine, Ulrichs, persönliche Entscheidung dafür sei allerdings schon vor Freitag gefallen, den Ausschlag habe die Stabilitätsfrage gegeben. Mit einem "Sprunghaften" wie Lafontaine könne das Experiment keine Legislaturperiode überdauern. Wohl aber mit einem aufgekratzten Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU), der Tatkraft demonstriert, mit der er Jamaika zu einem "Erfolgsmodell" zu machen gedenkt. Irritationen an der Basis, dass die CDU ihre Programm-Seele verkaufe? Von Journalisten herbeigeredet. Müller schaukelt fröhlich auf seinem Stuhl. Jede Geste vermittelte, dass der Wahlsieger CDU "die Gestaltungsverantwortung" trägt. Die Inszenierung von Regierungs-Lust gerät so packend, dass sie Zweifel auslöst. "Jamaika ist ein inhaltliches Projekt, keines, um nur Mehrheiten zu organisieren." CDU-Chef Peter Müller"Ich bin auch nur ein Mensch und keine Maschine." SPD-Chef Heiko Maas"Hubert Ulrich saß bei Heiko Maas noch am Wahlabend auf dem Schoß und hat um Leihstimmen gebettelt."Links-Parteichef Oskar Lafontaine"Wir wollen, was die Ministerien angeht, nicht schlechter gestellt werden als die Grünen." FDP-Fraktions-Vize Karl Josef Jochem"Der Verursacher des Dilemmas heißt Oskar Lafontaine." Grünen-ParteichefHubert Ulrich

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