Impeachment-Verfahren im Senat Krach hinter den Kulissen der Macht

Washington · Impeachment im Eilverfahren? Jetzt hat der Prozess gegen US-Präsident Donald Trump im Senat richtig begonnen – und die Demokraten werfen den Republikanern ein unfaires Manöver vor.

  John Roberts (Mitte, hinten), Oberster Richter in den USA, schreitet für seine Vereidigung an der Seite anderer Senatoren in die Kammer des Senats. Dort wird derzeit über die Amtsenthebung von US-Präsident Trump entschieden.

John Roberts (Mitte, hinten), Oberster Richter in den USA, schreitet für seine Vereidigung an der Seite anderer Senatoren in die Kammer des Senats. Dort wird derzeit über die Amtsenthebung von US-Präsident Trump entschieden.

Foto: dpa/Matt Rourke

Im Zeichen heftigen Streits um das Procedere hat am Dienstag im amerikanischen Senat der Impeachment-Prozess gegen Donald Trump begonnen. Zum Auftakt des ersten Verhandlungstages warf die Opposition den republikanischen Verbündeten des Präsidenten vor, es auf eine Farce hinauslaufen zu lassen.

Noch wichtiger als die Frage nach Schuld oder Unschuld sei die Entscheidung, die die Senatoren gleich am Anfang zu treffen hätten, sagte Adam Schiff, einer der sieben Abgeordneten, die im Namen des Repräsentantenhauses die Klage zu begründen haben. „Die wichtigste Frage ist: Werden der Präsident und das amerikanische Volk ein faires Verfahren bekommen?“ Sollte weder zusätzliche Zeugen noch neues Beweismaterial zugelassen werden, könne davon allerdings keine Rede sein. „Ein Prozess ohne Zeugen und Beweise ist kein Prozess. Es ist eine Farce.“ Unmittelbar vor der ersten Sitzung hatte Chuck Schumer, der Fraktionschef der Demokraten im Senat, scharfe Kritik an Verfahrensregeln geübt, die Mitch McConnell, der führende Republikaner der Parlamentskammer, zur Abstimmung stellen wollte. Ginge es nach den Konservativen, so Schumer, könnten wichtige Fakten erst zu nächtlicher Stunde präsentiert werden. „Wenn sie so überzeugt sind von Donald Trumps Unschuld, warum lassen sie uns nicht im hellen Tageslicht darüber reden?“

Nach Regeln, die McConnell am Vorabend öffentlich gemacht hatte, werden den Klägern – vertreten durch sieben demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses – lediglich 24 Stunden eingeräumt, damit sie ihren Fall darlegen. Danach bleibt den Verteidigern dieselbe Zeitspanne, um ihre Argumente zur Entlastung Trumps vorzubringen. Allerdings ist der Auftritt jeder Seite auf zwei Tage begrenzt, theoretisch also auf zwölf Stunden am Tag. Da die Verhandlung in keinem Fall vor neun Uhr morgens beginnen dürfte, da längere Pausen einzurechnen sind, befürchten die Demokraten, ihre Kläger könnten noch zu nächtlicher Stunde am Rednerpult stehen, um die Amtsenthebung des Präsidenten zu begründen. Dann, wenn an den Bildschirmen kaum noch einer zuschaut.

Warum McConnell aufs Tempo drückt, ergibt sich schon aus einem Blick in den politischen Kalender. Am 4. Februar steht, alljährlich zu halten, die Rede zur Lage der Nation auf dem Programm. Trump will den Anlass nutzen, um sich von seinen Anhängern feiern zu lassen, freigesprochen vom Senat, in seiner kuriosen Sicht glänzend rehabilitiert, nachdem ihn die „radikale Linke“, wie er seine Gegner inzwischen nennt, aus dem Amt zu putschen versuchte.

Die Abstimmung über McConnells Fahrplan, sie war der erste Punkt von Substanz, der auf der Tagesordnung stand. Sie folgt auf den archaischen Eid, nach dem alle Juroren, mithin alle Senatoren, „unter Androhung von Kerkerhaft“ während der Sitzungen zu striktem Schweigen verpflichtet sind. Nachdem beide Teams ihre Gründe pro beziehungsweise contra Impeachment vorgetragen haben, haben die Senatoren 16 Stunden lang Gelegenheit, Fragen zu stellen. Erst dann soll geklärt werden, was schon im Vorfeld die heftigste Kontroverse ausgelöst hat: die Vorladung zusätzlicher Zeugen.

Die Opposition hatte darauf gedrängt, darüber gleich zu Beginn zu entscheiden. Nach ihrem Willen soll vor allem John Bolton, bis September Nationaler Sicherheitsberater, aus der Perspektive des Insiders schildern, was genau sich hinter den Kulissen der Macht abspielte, als Trump die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine an Ermittlungen gegen seinen Rivalen Joe Biden knüpfte.

Um den Wunsch mit der erforderlichen 51-Stimmen-Mehrheit durchzusetzen, müssen die Demokraten mindestens vier Republikaner auf ihre Seite ziehen, da sie selbst nur auf 47 Senatssitze kommen. Bis dato haben drei Konservative – Susan Collins, Lisa Murkowski und Mitt Romney – Entgegenkommen signalisiert, denn auch sie wollen sich nicht vorwerfen lassen, sie hätten nicht auf ein gründliches Verfahren gepocht. McConnell jedenfalls verschob das Votum über zusätzliche Zeugen auf nächste Woche, statt zum Auftakt einen Showdown zu riskieren, den die Trump-Loyalisten verlieren könnten. Allein schon seine Regieführung verdeutlicht, was den Januar 2020 vom Januar 1999 unterscheidet. Beim Impeachment-Procedere gegen den Präsidenten Bill Clinton hatten sich Demokraten und Republikaner vorab auf Regeln geeinigt. Diesmal ist der Graben so tief, dass nicht einmal das möglich war.

Offen bleibt, welche Gegenleistung jene vier, fünf oder auch sechs Republikaner, von denen man glaubt, dass sie beim Clinch um Zeugen auf Distanz zu Trump gehen könnten, von der Opposition verlangen. Geben sie der Vernehmung Boltons grünes Licht, könnten sie fordern, auch Joe Bidens Sohn Hunter, der einst im Aufsichtsrat des ukrainischen Erdgaskonzerns Burisma saß, vorzuladen. Die Demokraten lehnen das bisher ab: Biden junior, führen sie ins Feld, habe rein gar nichts mit den Erpressungsversuchen des Weißen Hauses zu tun, weshalb seine Aussage irrelevant wäre. Umstritten ist auch die Zulassung von Beweismaterial, das erst nach der Anklage gegen den Präsidenten publik wurde. Dazu zählen Notizen und Nachrichten des Geschäftsmanns Lev Parnas, der im Einvernehmen mit Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani bereits im vergangenen Mai Druck auf den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij ausübte.

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