Die Baulandkommission fordert teils drastische Maßnahmen Wenn der Wohnraum brach liegt

Hamburg/Berlin/Saarbrücken · Während Tausende in Deutschland verzweifelt eine Wohnung suchen, stehen unzählige Gebäude und Häuser leer. Nun fordert eine Kommission der Bundesregierung teils drastische Maßnahmen.

Harry Mohr drückt es drastisch aus, will auch keinen Hehl daraus machen, dass es aus seiner Sicht der falsche Ansatz ist. „Das ist kalte Enteignung“, sagt der Immobilienmakler aus Saarlouis über einen der Kernvorschläge, die die von der Bundesregierung eingesetzte Baulandkommission an diesem Dienstag vorgestellt hat. Demnach will die Politik Eigentümer praktisch dazu zwingen, ihre Grundstücke entweder zu bebauen oder zu verkaufen. Nach Ansicht von Mohr ein Irrweg. „Wohnraum wird dadurch nicht bezahlbarer.“ Und genau dort liegt der Knackpunkt, genau das will die Baulandkommission mit ihren Vorschlägen erreichen: weniger Leerstände, mehr Wohnungen.

Die Zustände in den deutschen Großstädten zeigen: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Gut jeder zweite Bürger in Deutschland wohnt zur Miete. Vor allem in den Ballungszentren sind Unterkünfte rar und teuer. Zur Entschärfung der Lage hat die große Koalition 1,5 Millionen neue Wohnungen versprochen. Um dieses Ziel bis Ende 2021 zu erreichen, müssten jährlich 375 000 Unterkünfte errichtet werden. Im vergangenen Jahr waren es aber nur 287 000. „Es gibt einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum und bezahlbarem Bauland“, sagte die Hamburger Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt am Dienstag bei der Vorstellung der Ergebnisse der Baulandkommission. Das Gremium besteht aus Vertretern von Koalition, Ländern, sowie Wohnungs-, Immobilien- und kommunalen Spitzenverbänden. Nach neun Monaten stehen nun Handlungsempfehlungen fest. Da­runter die Empfehlung an die Länder, das Baugesetzbuch so zu ändern, dass das sogenannte Baugebot „erleichtert“ wird. Dahinter verbirgt sich die genannte Pflicht für Eigentümer, ihr Grundstück entweder selbst zu bebauen oder es an Interessenten zu verkaufen. Entsprechende Pläne gibt es in Tübingen. Dort wurden Grundstückseigner aufgefordert, entweder ein Baugesuch einzureichen oder das Grundstück zum Verkehrswert an die Stadt zu veräußern. Andernfalls droht eine Enteignung.

Für mehr Druck auf Eigentümer hat der Präsident des saarländischen Städte- und Gemeindetages Verständnis. „Eigentum verpflichtet. Daher bin ich schon der Meinung, dass man im Notfall durch bestimmte Gebote Veränderungen herbeiführen sollte“, sagte Jürgen Fried am Dienstag gegenüber unserer Zeitung. Wenn es der Allgemeinheit nutze, seien Gebote gerechtfertigt – etwa im Fall von Eigentümern, „die in relevanten Lagen Häuser besitzen und diese einfach nicht renovieren – oder leer stehen lassen, weil sie die gewünschte Miete nicht bekommen.“ Diese Argumentation kann Norbert Behle, Anwalt des Landesverbands Haus und Grund, nicht teilen. Als Interessenvertreter der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer im Saarland ist Behle strikt gegen „jede Form von Regulierung“. Leerstände – im Saarland schätzungsweise 20 000 – gebe es vor allem auf dem Land. „Dort findet sich weder ein Mieter noch ein Käufer“, sagt Behle. In der Saarbrücker Innenstadt und in beliebten Wohnlagen wie am Triller seien ihm „keine spekulationsbedingten Leerstände bekannt“. Auch die Leiterin des Saarbrücker Stadtplanungsamtes, Monika Kunz, hat im Hinblick auf die Umsetzbarkeit von Maßnahmen gegen Eigentümer „rechtliche Bedenken“. Immobilienmakler Mohr weist darauf hin, dass viele Wohnflächen auch deshalb leer stünden, weil viele Vermieter schlechte Erfahrungen mit Mietern machten und am Ende auf hohen Geldsummen sitzen blieben. „Dann lieber leer lassen, denken sich viele“, sagt Mohr.

Neben dem umstrittenen Vorstoß zu den Eigentümerpflichten lagen am Dienstag noch andere Pläne auf dem Tisch: Die Kommunen sollen künftig drei anstelle von nur zwei Monaten Zeit haben, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Dieses Recht dient dazu, eine Verdrängung von einkommensschwachen Mietern zu verhindern. Schrittmacher ist hier Berlin. Allein zwischen 2015 und Ende 2018 kaufte die Stadt 32 Häuser in bestimmten Gebieten, um die soziale Mischung der Quartiere zu erhalten. Die Hauskäufe haben die Hauptstadt rund 154 Millionen Euro gekostet. Wenn es nach der Baulandkommission geht, ist der Berliner Ansatz ausbaufähig.

Darüber hinaus empfehlen die Experten dem Bund sowie Ländern und Kommunen, „eigene Liegenschaften vergünstigt für bezahlbaren Wohnungsbau bereitzustellen“. Eine entsprechende Richtlinie für bundeseigene Grundstücke war bereits im vergangenen September in Kraft getreten. Dass dies auch für das Saarland ein taugliches Mittel wäre, bezweifelt der Präsident des Städte- und Gemeindetages. Es sei fraglich, ob die Kommunen „überhaupt über so viel Grundeigentum verfügen“, sagt Jürgen Fried.

Bislang kommen häufig die meistbietenden Investoren zum Zuge. Auch deshalb entstehen Luxuswohnungen mit kaum bezahlbaren Mieten. Künftig müsse Bauland nach dem „besten Konzept“ eines Kaufinteressenten vergeben werden, meint die Hamburger Bausenatorin Stapelfeldt. Dazu seien noch haushaltsrechtliche Regelungen notwendig. Auch der Parlamentarische Innenstaatssekretär Marco Wanderwitz (CDU) stellte klar, dass es für die zügige Bereitstellung von Bauland praxisfreundliche Rahmenbedingungen auf allen föderalen Ebenen geben müsse.

Zu den weiteren Anregungen der Kommission gehören eine Reaktivierung von Brachland, die personelle Stärkung der Planungsämter sowie Erleichterungen für den Dachgeschossausbau. Außerdem machen sich die Experten für eine Senkung der Grunderwerbsteuer insbesondere beim Ersterwerb von Wohneigentum stark. Von einem Mietendeckel, oder gar der Enteignung von Immobilienunternehmen hält die Kommission dagegen nichts. Bis auf das „Baugebot“ seien „keine neuen Eingriffe in die Eigentumsrechte vorgesehen“, sagte Wanderwitz. Und was wird nun aus den Ideen? Hier verwies der CDU-Politiker auf die anstehende Änderung des Baugesetzbuches. Dort sollen die Empfehlungen einfließen.

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