Streit um die Verteilung Wohin mit den geretteten Migranten?

Rom · Im Streit um die Verteilung von Flüchtlingen in der EU ist eine dauerhafte Lösung nicht in Sicht. Brüssel will nun einen vorläufigen Mechanismus.

  Gerettete Flüchtlinge verlassen auf Sizilien ein italienisches Polizeiboot. Nur ein Bruchteil der Migranten kommt über private Hilfsorganisationen in die EU.

Gerettete Flüchtlinge verlassen auf Sizilien ein italienisches Polizeiboot. Nur ein Bruchteil der Migranten kommt über private Hilfsorganisationen in die EU.

Foto: dpa/Francesco Ruta

Die Flucht über das Mittelmeer wagen deutlich weniger Menschen als noch vor zwei Jahren. Seit dem umstrittenen Manöver von Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete, Migranten unerlaubt nach Italien zu bringen, wird die Debatte um Bootsflüchtlinge emotionaler denn je geführt. Hilfsorganisationen sehen sich als Sündenbock eines scheinbar unlösbaren Konflikts in der EU.

Privaten Rettungsschiffen wird immer wieder die Einfahrt nach Italien und Malta verwehrt. Warum steuern sie nicht andere Häfen an?

Eine Fahrt in weiter entfernte Häfen wie Spanien, Frankreich oder gar die Niederlande bedeutet sowohl für die oft traumatisierten Geretteten als auch die Crew weitere Belastungen und neue Risiken – und sie ist teuer.

Kommt die italienische Regierung und allen voran Innenminister Matteo Salvini mit seinem Anti-Migrationskurs an?

In Italien hat Salvinis Lega mitten in der Krise um die „Sea-Watch 3“ mit 38 Prozent ein spektakuläres Umfragehoch verbucht, wie die Zeitung „Il Sole 24 Ore“ am Dienstag berichtete. Das Anlanden von Migranten zu verbieten, die von Hilfsorganisationen gerettet werden, stimmen 59 Prozent sehr oder weitgehend zu, wie aus einer anderen Umfrage für die Zeitung „Corriere della Sera“ hervorgeht.

Sind die Hilfsorganisationen wirklich das Problem?

Wenn man die Zahlen betrachtet: Nein. Die Schlepper haben ihre Strategie geändert und schicken sogenannte Geisterboote in Richtung Italien – die dann entweder in den italienischen Gewässern von Küstenwache oder Finanzpolizei gerettet oder in den Hafen eskortiert werden oder aus eigener Kraft ankommen. Nur jeder zehnte Migrant, der in diesem Jahr nach Italien kam, sei von einer Hilfsorganisation gerettet worden, berechnete die italienische Zeitung „La Repubblica“ unter Berufung auf offizielle Zahlen.

Warum ist es eigentlich so schwer, eine europaweite Regelung für die Aufnahme und Verteilung der Bootsflüchtlinge zu finden?

Die EU versucht sich seit Jahren an einer großen Asylreform – inklusive neuer Dublin-Regel. Danach ist bislang der EU-Staat für Migranten zuständig, den diese zuerst erreichen. Weil dadurch hauptsächlich Mittelmeerländer wie Italien, Spanien, Malta und Griechenland belastet sind, soll es nach dem Willen der EU-Kommission und einiger EU-Staaten eine faire Verteilung auf alle Staaten geben. Länder wie Ungarn und Polen weigern sich jedoch, sich zur Aufnahme von Migranten zu verpflichten.

Kann es irgendwelche provisorischen Lösungen geben?

Um schnelle Lösungen für den Umgang mit geretteten Bootsflüchtlingen zu finden, fordert die EU-Kommission jetzt einen vorläufigen Mechanismus zur Verteilung der Menschen auf die Mitgliedstaaten. „Bis die neuen reformierten Regeln zur Verteilung von Flüchtlingen nach dem sogenannten Dublin-System Realität werden, fordere ich alle EU-Mitgliedsländer auf, ihre Arbeit zu beschleunigen und vorläufige Vereinbarungen zu finden, wie mit den Menschen umzugehen ist, wenn sie die Rettungsschiffe verlassen haben“, sagte der zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos der „Welt“. Er verwies darauf, dass die EU-Kommission in Fällen wie jüngst dem des blockierten Rettungsschiffs „Sea Watch 3“ immer wieder Einzelfalllösungen zwischen den Mitgliedstaaten koordiniert habe. Solche Situationen gelte es künftig zu vermeiden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort