Die Argumente der Gegner einer schärferen Klimapolitik Viel heiße Luft in der Klimadebatte

Berlin · Selbst wenn Deutschland den CO2-Ausstoß auf Null reduzieren würde, hätte das nur wenig Einfluss auf das Weltklima, sagen Kritiker. Doch das Problem ist komplexer.

  Wasserdampf steigt aus dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg. Trotz Kohlestroms ist Deutschland gerade mal für 2,2 Prozent des weltweiten C0 2 -Ausstoßes verantwortlich.

Wasserdampf steigt aus dem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in Brandenburg. Trotz Kohlestroms ist Deutschland gerade mal für 2,2 Prozent des weltweiten C0 2 -Ausstoßes verantwortlich.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Die schwarz-rote Bundesregierung will im Herbst Grundsatzentscheidungen zum Klimaschutz fällen. Nun machen auch die Gegner der Klimapolitik mobil und werfen ihre Argumente immer lautstärker in die Debatte. Wir haben die wichtigsten geprüft:

Argument: Es gibt keine Klimakrise.

Einwand: Das ist durch den objektiv messbaren globalen Temperaturanstieg um fast ein Grad (in Deutschland 1,4 Grad) und andere Phänomene wie das Abschmelzen des Polareises und der Gletscher widerlegt. Die Zunahme der Wetterextreme ist für jeden konkret erlebbar. Zwar hat es auch früher Klimaveränderungen gegeben. Das Problem heute ist nur das Tempo – und dass die Menschheit sich so schnell nicht anpassen kann.

Argument: Die Klimakrise ist nicht vom Menschen gemacht.

Einwand: Seit über zehn Millionen Jahren war der CO2-Gehalt in der Luft nicht so hoch wie jetzt. Seit Beginn der Industrialisierung stieg er von 280 ppm (parts per million) auf aktuell über 410 ppm. Das ist mit keinem natürlichen Phänomen, etwa Vulkanausbrüchen, erklärbar. Auch gibt es keine Veränderung natürlicher Faktoren, wie der Sonnenintensität oder Veränderungen der Erdumlaufbahn, die den steilen Temperaturanstieg begründen. Klima allerdings ist ein außerordentlich komplexes Phänomen. Noch wissen die Forscher nicht genau, wie die Erwärmung entsteht. Ein Grund, abzuwarten ist das nicht. Bei 1,5 Grad bis 2,0 Grad Erwärmung kippen entscheidende Klimasysteme unwiederbringlich um.

Argument: Deutschland emittiert gerade mal 2,2 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes, China 28 Prozent. Selbst wenn wir hierzulande auf Null gingen, würde das die globale Temperatur kaum beeinflussen.

Einwand: Deutschland macht ja auch nur ein Prozent der Weltbevölkerung aus. Dieses Argument gehört in die Kategorie: Sollen erst die anderen machen. Die Chinesen emittieren pro Kopf 6,5 Tonnen CO2 pro Jahr, die Inder nur 1,5 Tonnen. Sie alle könnten mit viel größerem Recht uns anklagen, denn jeder Deutsche verbraucht derzeit fast neun Tonnen, und zwar schon seit Jahrzehnten.

Argument: Es ist Quatsch, in Deutschland Kohlekraftwerke abzuschalten, wenn weltweit über 1000 Kohlekraftwerke in Planung sind.

Einwand: Das gehört in die gleiche Kategorie. Die Schwellenländer haben bei der industriellen Entwicklung großen Nachholbedarf, das erklärt den Anstieg ihrer Energieproduktion. China setzt dabei aber schon jetzt stark auf erneuerbare Energien. Alle Schwellenländer haben das Pariser Klimaabkommen unterschrieben, der sie mittelfristig zu einem Absenken des CO2-Ausstoßes verpflichtet. Sie werden es aber nur umsetzen, wenn es die alten Industrieländer auch tun und wenn man ihnen hilft.

Argument: Windräder schaden der Natur, sie schreddern Vögel und Insekten.

Einwand: Es gibt keine Energiequelle, die ohne Schädigung der Natur auskommt. Aber es werden zum Beispiel weit mehr Insekten an Windschutzscheiben zerquetscht und mehr Vögel durch Hauskatzen getötet als durch Windräder. Keiner protestiert deswegen gegen Autos oder Katzen.

Argument: Atomkraft wäre die Lösung – sagt selbst Greta Thunberg.

Einwand: Das ist nur scheinbar eine Alternative, die jedenfalls in Deutschland nicht funktioniert: Wer von den Befürwortern will ein Kernkraftwerk in seinem Wahlkreis haben? Wer ein atomares Endlager? Keiner. Denn hierzulande ist die Mehrheit der Bevölkerung klar gegen diese Technologie.

Argument: Eine CO2-Steuer verteuert Energie noch mehr und kostet Arbeitsplätze.

Einwand: Die CO2-Steuer hat ebenso wie der Emissionshandel das Ziel, sich quasi selbst überflüssig zu machen. Indem durch Kostendruck umgesteuert wird von fossiler Energie auf regenerative Energie und mehr Energieeffizienz. Beides schafft neue Arbeitsplätze, bisher schon 260 000. Das sorgt dafür, dass die Wertschöpfung in Deutschland bleibt, statt die Scheichs oder Oligarchen zu finanzieren. Dieser Strukturwandel muss sozial abgefedert und aktiv gestaltet werden.

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