Kommentar Sprengsatz für Berliner Regierungsbündnis

Angela Merkels Personalcoup auf dem Brüsseler Parkett könnte sich in nächster Zeit politisch als Kamikaze-Aktion erweisen. Denn die Nominierung Ursula von der Leyens für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin spaltet die große Koalition.

Kommentar: Nominierung von der Leyens bringt große Koalition in Wanken
Foto: SZ/Robby Lorenz

Mehr noch: Die SPD geht regelrecht auf die Barrikaden gegen diese Personalentscheidung. Womöglich haben die Genossen nun das Feuerzeug gefunden, mit dem sie die Lunte an der großen Koalition anzünden können. Und dann macht es bum – das schwarz-rote Bündnis ist Geschichte. Und mit ihm Angela Merkel.

Die Kanzlerin wird das immense innenpolitische Risiko, das sie mit von der Leyen eingegangen ist, bedacht haben. Sie ist bekannt dafür, die Dinge von allen Seiten zu beleuchten, bevor sie eine weitreichende Entscheidung trifft oder irgendwelche „Deals“ abschließt. Selbst unter erheblichem Druck, wie das jetzt in Brüssel der Fall gewesen ist. Man muss Merkel daher unterstellen, dass sie sich bewusst in der Personalfrage über die Koalitionsräson hinweg gesetzt hat. Sie wollte die Chance, mit der ihr treu ergebenen von der Leyen eine deutsche Frau an die Spitze der EU-Kommission zu hieven, nicht verstreichen lassen. Sie hat diese Möglichkeit sogar forciert. Mit den Folgen muss Merkel nun klarkommen – sie scheinen ihr allerdings reichlich egal zu sein.

Nicht ausgeschlossen ist, dass die Genossen sich diesmal nicht nur lautstark empören, sondern auch handeln und ihrem früheren Parteichef Sigmar Gabriel folgen. Er ruft bereits dazu auf, die schwarz-rote Koalition zu verlassen. Ausgerechnet Gabriel, aber das nur am Rande. Doch was hätte die SPD, führungslos und inhaltlich ausgelaugt, dadurch gewonnen? Nichts. Wegen Personalien und dem Geschacher darum, erst recht auf europäischer Ebene, sprengt man kein Bündnis in Berlin. Mit diesem Motiv allein könnten die Genossen anschließend nicht überzeugend vor die deutschen Wähler treten. Zumal Merkel entgegnen wird, sie habe das Maximum im europäischen Personalpoker für Deutschland herausgeholt. Aber in ihrem miserablen Zustand ist der SPD derzeit alles zuzutrauen. Vielleicht entscheidet am Ende die Summe der Enttäuschungen, die die Genossen unter Merkel in all den Jahren erlitten haben, ob sie die Groko tatsächlich sprengen. Die Kanzlerin wird jetzt abwarten, was passiert. Gelassen wie immer. Ihre Tage im Amt sind ja ohnehin gezählt.

Springt die SPD allerdings nicht, wird die Lage für die Regierungschefin dann heikel, wenn von der Leyen im Europäischen Parlament durchrasselt und der Traum von der EU-Kommissionspräsidentin jäh zerplatzt. Als Verteidigungsministerin einfach weitermachen könnte von der Leyen dann nicht mehr. Denn wer soll einer Ministerin noch vertrauen, die den Abflug machen wollte? In der Truppe ist die Oberbefehlshaberin ohnehin nicht sonderlich gelitten. Diese Niederlage wäre dann aber auch Merkels große Bruchlandung. Und zwar eine, die politisch nicht ohne Folgen für die Kanzlerin bleiben kann. Möglicherweise macht es dann bum.

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