Mögliche Kommissionspräsidentin Von der Leyens Nominierung bringt die Groko in Turbulenzen

Berlin · Die SPD ist sauer über die Brüsseler Personalentscheidung. Derweil wird in Berlin schon über die mögliche Nachfolge im Verteidigungsressort spekuliert.

 Ursula von der Leyen soll Mitte Juli zur Kommissionspräsidentin gewählt werden.

Ursula von der Leyen soll Mitte Juli zur Kommissionspräsidentin gewählt werden.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Das ist schon merkwürdig: Da bekommt Deutschland zum ersten Mal nach 52 Jahren wieder die Chance, die europäische Kommissionspräsidentschaft zu übernehmen – und dann enthält sich Berlin der Stimme. Alle anderen 27 Staaten im EU-Rat votierten indes für von der Leyen. Hintergrund dieses Kuriosums: Die SPD ist stinksauer über die Personalie. So war Kanzlerin Angela Merkel (CDU) – den Regeln der großen Koalition entsprechend – zu diesem Schritt gezwungen, als es im Gremium der EU-Staats- und Regierungschefs zum Schwur kam.

Bereits kurz nach von der Leyens offizieller Nominierung am Dienstagabend hatten die drei kommissarischen Parteivorsitzenden, Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel den Protest-Tenor vorgegeben. Die deutsche Verteidigungsministerin habe überhaupt nicht zur Wahl gestanden. Damit werde das „Spitzenkandidaten-Prinzip“ beerdigt. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel  nannte die Nominierung am Mittwoch einen „beispiellosen Akt der politischen Trickserei“ und plädierte gar dafür, „die Regierung zu verlassen“.

Damit bekommen die Spekulationen über ein vorzeitiges Ende der großen Koalition neue Nahrung. Über ihr Schicksal will die SPD auf dem nächsten regulären Bundesparteitag im Dezember entscheiden. Dort steht die „Halbzeitbilanz“ des schwarz-roten Bündnisses an. Und die Nominierung von der Leyens könnte ein weiterer Sargnagel für die Groko sein. „Dieser Vorgang kommt sicher in die Abwägung bei unserer Halbzeitbilanz mit hinein. Und zwar auf dem Negativ-Konto“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner.

Gleichwohl könnten die Karten noch einmal neu gemischt werden, sollte von der Leyen bei der für Mitte Juli anberaumten Abstimmung im EU-Parlament durchfallen. Europa-Parlamentarier der SPD wie Katarina Barley und Jens Geier haben bereits klar gestellt, dem Personalvorschlag keinesfalls zuzustimmen. Parteiintern wurden die Erfolgschancen der CDU-Politikerin gestern mit „50:50“ bewertet.

Sollte von der Leyen die hohe Hürde EU-Parlament überspringen und die große Koalition den Streit um die Personalie überstehen, steht eine Kabinettsumbildung an. Dann gäbe es für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer endlich die Möglichkeit, ein wichtiges Ministeramt zu übernehmen. Doch AKK hat bereits abgelehnt. Im Verteidigungsressort ist nur schwer ein Blumentopf zu gewinnen, die Probleme türmen sich. Kramp-Karrenbauer braucht aber einen Job, in dem sie sich rasch profilieren kann.

Derzeit wird in Berlin zuallererst ein Name für die Nachfolge von der Leyens genannt: der von Gesundheitsminister Jens Spahn. Er könnte als Feuerwehrmann für die marode Bundeswehr fungieren. Hinter den Kulissen ist aber ebenso von Wirtschaftsminister Peter Altmaier die Rede. In seinem Ressort hat er kaum Fortune, Wirtschaft liege ihm nicht, sagen seine Kritiker hinter vorgehaltener Hand. Aber Merkel hat ihn immer gerne dahin beordert, wo es brennt oder kompliziert ist – bei der Bundeswehr ist das eindeutig der Fall. Für den Ministerposten in Frage kommt auch der Staatssekretär im Verteidigungsressort, Peter Tauber.

Sollte sich die Kanzlerin für ein größeres Stühlerücken entscheiden, käme AKK entgegen aller Beteuerungen eventuell doch noch ins Spiel. Als Nachfolgerin von Altmaier zum Beispiel, obwohl Wirtschaft nicht ihre Paradedisziplin ist. Hartnäckig hielt sich zuletzt das Gerücht, AKK werde bald Innenministerin. Dafür müsste die CSU aber Horst Seehofer abziehen. Spekuliert wurde, dass dieser das Verteidigungsressort übernehmen könnte. Allerdings müsste er wollen und die CSU mitspielen. Parteichef Markus Söder jedoch erteilte diesem Gedankenspiel am Mittwoch eine Absage: „Wir haben unsere Positionen, mit denen sind wir zufrieden und wollen da keine Veränderung.“

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