Atommüll-Endlager Eine Suche und die Lehren aus Gorleben

Gorleben/Mainz/Saarbrücken · Wo könnte ein deutsches Atommüll-Endlager stehen? Ein neuer Bericht könnte alten Streit entfachen – auch in der Region.

 Gorleben 1980: Prominenter Besuch schaut im Besetzerdorf im niedersächsichen Wendland vorbei. Rechts der damalige Juso-Vorsitzende Gerhard Schröder, links Jo Leinen, damals ein Wortführer der Anti-Atomkraftbewegung. Seit den 1970er Jahren gab es Proteste gegen das geplante Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Nun geht die Suche in eine weitere Runde.

Gorleben 1980: Prominenter Besuch schaut im Besetzerdorf im niedersächsichen Wendland vorbei. Rechts der damalige Juso-Vorsitzende Gerhard Schröder, links Jo Leinen, damals ein Wortführer der Anti-Atomkraftbewegung. Seit den 1970er Jahren gab es Proteste gegen das geplante Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Nun geht die Suche in eine weitere Runde.

Foto: picture alliance/dpa/dpa Picture-Alliance / Paul Glaser

(dpa) Beschaulich, fahrradfreundlich und äußerst lebenswert: Das Wendland östlich der Lüneburger Heide hat nicht erst in Corona-Zeiten einen Schub als Urlaubsregion erfahren. Bekannt geworden ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg indes durch vier Jahrzehnte Streit um Atomkraft und die Einlagerung von hoch radioaktivem Abfall.

Nicht wenige der einstigen Studenten und Aktivisten gegen die Castortransporte nach Gorleben bauten sich eine Existenz in dem dünn besiedelten Landstrich auf. Im Herbst 2020 kommt nun das alte, niemals abgehakte Langzeitthema Endlagersuche wieder hoch. Mit banger Erwartung blicken sie in der ländlichen Region auf diesen Montag, wenn die Bundesgesellschaft für Endlagerung ein Zwischenbericht mit der Vorstellung der Teilgebiete für das Bundesgebiet vorlegen will.

„Es ist ein wirklicher Neuanfang, es ist der erste systematische Vergleich, den die Bundesrepublik macht. Das Verfahren ist sehr umfassend und gut organisiert“, lobt Rebecca Harms, Gründungsmitglied der Bürgerinitiative gegen das geplante Endlager in Gorleben. „Das Ganze bedeutet nicht, dass es ein erfolgreicher Abschluss wird. Ich glaube aber, dass die Kriterien, die wir kennen, Gorleben ausschließen – die Akzeptanz kann man hier nicht mehr erreichen“, sagt die 63-jährige ehemalige Europa-Abgeordnete der Grünen. Der Salzstock sei nach geologischen Kriterien ungeeignet und auch politisch gescheitert. In den 70er Jahren wurde entschieden, dort ein Endlager einzurichten – nach heftigen Protesten die Suche aber neu gestartet.

Wird es bei der Auswahl keine Rolle spielen, dass Gorleben für deutlich mehr als eine Milliarde Euro schon als mögliches Endlager erkundet wurde? „Wir befürchten, dass Gorleben so etwas wie eine Rückfalloption wird, wenn die Suche in anderen Ländern auf Widerstand trifft und scheitert“, sagt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative. Mit Gorleben gebe es einen gut erkundeten Standort für ein sicheres und fast schlüsselfertiges Endlager, hatte jüngst Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) dem Spiegel gesagt.

Während einige Geologen Salzstöcke prinzipiell für geeignet halten, haben andere erhebliche Bedenken. Die Gegner von Gorleben führen etwa Kohlenwasserstoff- und Gasvorkommen ins Feld.

Vor dem Hintergrund eines neuen Gutachtens fordern die Umweltschutzorganisation BUND und die Bürgerinitiative, Gorleben aus der Diskussion zu nehmen. Der Salzstock befinde sich in einer aktiven geologischen Störungszone. Auch wegen einer vermuteten gasführenden Schicht liege keine günstige geologische Gesamtsituation vor.

Neben der Suche nach dem Endlager treibt die Bürger gegen Gorleben nach wie vor auch die Situation im nahen Zwischenlager um, in dem 113 Behälter mit hochradioaktivem Müll lagern. 2034 erlischt die Betriebsgenehmigung, die Endlagersuche soll 2031 enden. Maximale Sicherheit für Millionen Jahre ist das Ziel.

Bundesweit mindestens zehn und höchstens 100 Gebiete sollen diesen Montag als mögliche Endlager-Standorte aufgelistet werden – könnten auch Rheinland-Pfalz und das Saarland in Betracht kommen?

Manches spricht dagegen. Im Saarland gibt es kein AKW und radioaktive Abfälle, in Rheinland-Pfalz nicht mehr, seit die letzten Brennelemente des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich vor 18 Jahren zur französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague transportiert wurden.

Die Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“ rechnet gleichwohl mit Überraschungen in Deutschland, weil die geologischen Kriterien teilweise reduziert worden seien und nun auch Orte infrage kommen könnten, die bislang noch nicht aufgetaucht seien.

Auf der Deutschlandkarte des Öko-Instituts mit Salz-, Ton- und Kristallin-Zonen – die Wirtsgesteine für die Abfälle sein können – sind Rheinland-Pfalz und das Saarland komplett weiß. Und damit schon ausgeschlossen als Endlager? Ganz so einfach ist es nicht. Die Karte basiere auf alten Studien, sagt der Geologe Saleem Chaudry vom Öko-Institut. Viele Gebiete in Deutschland seien noch unzureichend geologisch untersucht.

Thomas Dreher vom rheinland-pfälzischen Landesamt für Geologie und Bergbau sagt, zum Beispiel könnte es unter dem Pfälzer Wald Kristallin geben, was aber bislang nicht nachgewiesen sei. Er vermutet, dass die Eifel mit ihrem immer noch existierenden Vulkanismus und das Rheintal als „aktive Störungszone“ eher nicht für ein Endlager infrage kommen. Dafür mögliches Tongestein sei dagegen weit verbreitet in Rheinland-Pfalz, allerdings im Wechsel mit grobkörnigerem Schluff. „Größere Mächtigkeiten an Tongestein gibt es in der Saar-Nahe-Senke“. Das Saarland ist jedoch auch ein Land der Bergwerke – Zonen, die für ein Endlager ungeeignet sein könnten. Bei den Eifel-Vulkanen wiederum streiten Experten, wie groß der Sicherheitsabstand für die Lagerung von Atommüll sein müsste. Es bleiben Fragezeichen.

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