Interview Paul Ziemiak „Der Wahlkampf wird härter werden als der vorherige“

Berlin · Der CDU-Generalsekretär befürchtet Auswirkungen der Corona-Proteste auf die Bundestagswahl. Zugleich mahnt er zur konsequenteren Durchsetzung der Regeln.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mahnt die Rückkehr zur soliden Haushaltsführung an. 2022 müsse die Schuldenbremse wieder eingehalten werden, so Ziemiak im Gespräch mit unserer Redaktion. Für die Familien will er das Baukindergeld verlängern. Mit Sorge blickt der 35-Jährige auf den Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr.

Herr Ziemiak, Corona kehrt mit Macht zurück. Sind die Deutschen zu leichtsinnig geworden?

ZIEMIAK Wir müssen vorsichtig bleiben und weiterhin aufeinander achtgeben. Wir sehen, dass wir in den verschiedenen Städten und Landkreisen ein unterschiedliches Infektionsgeschehen haben. Regionale Gegenmaßnahmen haben sich bewährt. Auch sind wir geschulter im Umgang mit Corona. Für mich hat jetzt oberste Priorität: Schulen und Kitas müssen offenbleiben. Deswegen müssen wir bei allen anderen Maßnahmen konsequenter sein – wie zum Beispiel bei der Durchsetzung der Maskenpflicht.

Wie ernst nehmen Sie die Menschen, die gegen die Corona-Regeln protestieren?

ZIEMIAK Ich halte nicht viel davon, die Menschen mit ihren unterschiedlichen Beweggründen über einen Kamm zu scheren. Es gibt Leidtragende der Krise, deren Unmut ich verstehe. Nehmen wir die Familien: Sie standen und stehen vor besonderen Herausforderungen. Es gab Kinder, die zu Hause keinen ausreichenden Zugang zu Bildung hatten. Für zahlreiche berufstätige Mütter und Väter war die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie aufgrund der Kita- und Schulschließungen eine belastende Erfahrung. Viele haben einen unglaublichen Spagat zwischen Homeschooling, Homeoffice und Kinderbetreuung hingelegt. Auch die Sorgen der wirtschaftlich Betroffenen treiben mich um. Wir kümmern uns darum. Aber Corona-Leugner, die alles für eine Weltverschwörung halten, kann ich nicht verstehen. Deren Unsinn erreicht jedoch über das Netz viele Menschen. Deshalb müssen wir immer wieder erklären, was wir tun.

Der Protest ist zum Teil sehr aggressiv. Schauen Sie mit bangem Blick auf den Bundestagswahlkampf?

ZIEMIAK Ich befürchte, der Wahlkampf wird härter werden als vorherige Wahlkämpfe. Vielfach ist eine Auseinandersetzung mit sachlichen Argumenten kaum mehr möglich. Wir erleben bereits, dass aggressive Gruppen Politikern hinterher reisen. Im Netz wird dann ein Zerrbild verbreitet. Das halte ich für brandgefährlich. Dem müssen wir alle, gerade in den sozialen Medien, etwas entgegensetzen.

Sie haben die Familien angesprochen. Es gab den Kinderbonus, aber reicht der?

ZIEMIAK Der Kinderbonus ist ein wichtiges Instrument. Familien leisten insbesondere in der Corona-Krise außergewöhnliches. Es muss uns generell darum gehen, Familien materiell sowie strukturell zu fördern. Eine wichtige Maßnahme: Wir müssen beim Baukindergeld nachlegen. Die Förderung von bis zu 12 000 Euro pro Kind – über zehn Jahre – für den Bau oder Kauf der eigenen vier Wände ist wirksam. Für viele Familien bedeutet dies, dass sie sich den Kauf einer Immobilie zutrauen und damit auch einen wichtigen Beitrag zur eigenen Altersvorsorge leisten. Das Bundeskabinett hat die Frist, in der ein Kaufvertrag unterschrieben oder eine Baugenehmigung vorliegen muss, bis Ende März 2021 verlängert. Ich schlage vor, dass wir das Baukindergeld bis Ende des Jahres 2021 verlängern.

Rund fünf Milliarden kostet das Bauerkindergeld jetzt schon. Was kommt obendrauf?

ZIEMIAK Die Bundesregierung hat insgesamt zehn Milliarden Euro für das Baukindergeld eingeplant. Auch durch Corona wurden Mittel, die bereits im Haushalt eingestellt sind, nicht abgerufen. Damit könnte sich eine Verlängerung finanzieren lassen.

Muss die Koalition nicht mal wieder sparen?

ZIEMIAK Wichtig ist vor allem, dass wir zurück zu einer soliden Haushaltsführung kommen. Zuallererst müssen wir Wachstum generieren, um die Einnahmen zu erhöhen. Dann brauchen wir ein Monitoring, wie sinnvoll welche Corona-Maßnahme noch ist.

Mit Olaf Scholz hat die SPD ihren Kanzlerkandidaten nominiert. Setzt Sie das unter Druck?

ZIEMIAK Ich habe den Zeitpunkt der Nominierung nicht verstanden. Wir sind inmitten der größten Krise seit der Gründung der Bundesrepublik und die SPD beschäftigt sich mit Wahlkampf. Für uns gilt hingegen volle Konzentration auf das Land und die Bewältigung der Corona-Pandemie.

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