Drei Jahre keine freie Wohnortwahl

Berlin · Nach der Luxemburger Gerichtsentscheidung zur Wohnsitzauflage will die große Koalition schnell die geplante Neuregelung dazu auf den Weg bringen. Demnach soll Flüchtlingen für maximal drei Jahre vorgeschrieben werden dürfen, wo sie wohnen können.

 Unter bestimmten Umständen darf Flüchtlingen der Wohnort vorgeschrieben werden. Foto: Kastl/dpa

Unter bestimmten Umständen darf Flüchtlingen der Wohnort vorgeschrieben werden. Foto: Kastl/dpa

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Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofes über Möglichkeiten zur Einschränkung der freien Wohnortwahl für Flüchtlinge beschleunigt ein umstrittenes Berliner Vorhaben: Im Innenministerium wird derzeit mit Hochdruck an einem "Wohnungszuweisungsgesetz" gearbeitet, das dem Vernehmen nach noch im Frühjahr verabschiedet werden soll. Erste Details zeichnen sich ab.

Nach Informationen dieser Zeitung steht in den Eckpunkten des Ministeriums, dass den Flüchtlingen künftig für maximal drei Jahre vorgeschrieben werden darf, wo sie wohnen können. Das wurde aus mehreren Quellen bestätigt. Das Gesetz selbst soll ebenfalls nur für einen bestimmten Zeitraum gelten. Eine Jahreszahl steht dafür noch nicht fest. Die Möglichkeit zur Zuweisung eines Wohnortes soll sich dabei nicht nur auf Flüchtlinge erstrecken, deren Asylantrag noch in Bearbeitung ist, sondern auch für anerkannte Flüchtlinge gelten - allerdings nur, wenn sie Sozialleistungen beziehen. Wenn sie sich selbst versorgen können, bleibt ihnen die Wohnortwahl freigestellt.

Ziel ist es, mehr Flüchtlinge in die ländlichen Gebiete zu schicken, wo die Bedingungen für sie oft besser sind. Das freie Reisen wird mit dem Gesetz nicht eingeschränkt, lediglich der dauerhafte Wohnort. Heute findet auf Arbeitsebene eine Bund-Länder-Besprechung der Innenministerien zum Thema statt.

Wohnsitzauflagen hatte zuerst Anfang des Jahres SPD-Chef Sigmar Gabriel ins Gespräch gebracht. Vor allen Dingen, um zu verhindern, dass die Flüchtlinge alle in die Großstädte strömen, wo sich zwar viele ihrer Landsleute befinden, Integration und Arbeitsplatzbeschaffung aber oft viel schwerer sind. Für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern hatte die Koalition im gerade verabschiedeten Asylpaket II bereits eine sechsmonatige Residenzpflicht in den Erstaufnahmelagern eingeführt. Kritiker wenden ein, dass mit Wohnsitzauflagen das Grundrecht der Freizügigkeit verletzt werde - schließlich hätten die Flüchtlinge nichts verbrochen. In vielen ländlichen Gebieten, vor allem im Osten, fänden die Betroffenen zudem nur schlecht Arbeit oder Ausbildung.

Den Angaben aus Regierungskreisen zufolge sollen die Kommunen, die künftig Asylbewerber zugewiesen bekommen, mit dem neuen Gesetz auch einen Anspruch auf finanzielle Hilfen bekommen. Vorgesehen seien Ausgleichsmittel für den erhöhten Aufwand für Integration, Bildung und Wohnungen, hieß es. Indirekt werde damit auch Sigmar Gabriels Forderung nach einem Infrastrukturprogramm aufgegriffen. Über Summen oder Größenordnungen wurde noch nichts bekannt. Wohnsitzauflagen, die EU-weit die Ausnahme sind, hatte es in Deutschland in den 1990er Jahren schon einmal gegeben. Damals wurden arbeitslose Spätaussiedler verpflichtet, mehrere Jahre lange an den ihnen zugewiesenen Orten zu leben.

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