Rückkehr der Drachme muss keine Katastrophe sein

Brüssel/Athen. Die Ruhe war trügerisch. Nun haben führende Wirtschaftsforscher der EU, der europäische Sachverständigenrat EEAG, die Probleme der Euro-Zone mit einem Paukenschlag zurück ins Bewusstsein geholt

Brüssel/Athen. Die Ruhe war trügerisch. Nun haben führende Wirtschaftsforscher der EU, der europäische Sachverständigenrat EEAG, die Probleme der Euro-Zone mit einem Paukenschlag zurück ins Bewusstsein geholt. Die griechische Tragödie - laut Definition behandelt sie die Verstrickung in eine schier ausweglose Lage und stellt deshalb auch die Seinsfrage - steuert auf ihren Höhepunkt zu: Euro oder nicht? Das ist hier die Frage.Europa hat sich mit dem ersten finanzpolitischen Sündenfall in seinen Reihen weit aus dem Fenster gelehnt. Der offenkundige Vertragsbruch, den man im vergangenen Jahr mit den Milliarden-Bürgschaften für Athen beging, provozierte nicht zuletzt in Deutschland verfassungsrechtliche Mahnungen. Das alles kann und darf nicht einfach endlos weitergehen. Der Weg in eine dauerhafte Transferunion verbietet sich von selbst. Dass diese Erkenntnis einen politischen Sprengsatz mit ungeahnten Folgen enthält, ist richtig.

Erstmals steht Europa vor einer Situation, die man bisher nur allzu gerne und eine Spur zu überheblich südamerikanischen Bananen-Republiken zuschrieb: die Umschuldung. Weniger finanztechnisch ausgedrückt bedeutet sie einen Verzicht auch der deutschen Geldgeber auf große Teile ihrer Ansprüche, um das Land, in diesem Fall Griechenland, wieder in Größenordnungen von Verschuldung zurückzuführen, die eine Gesundung zumindest realistisch erscheinen lassen. Welche Folgen es für die deutschen Institute hätte, wenn sie möglicherweise auf 30 oder mehr Prozent ihrer derzeit gut 90 Milliarden Einlagen in Griechenland verzichten müssen, ist offen.

Dass ein derart abrutschendes Land die Euro-Zone selbst gefährdet, steht fest. Somit liegt der Schluss, Athen aus der Gemeinschaftswährung auszuschließen, auf der Hand. Doch das schafft nicht nur Probleme aus der Welt, es würden auch neue heraufbeschworen. Jahrelange Beteuerung, mit denen Europa um das Vertrauen der Finanzmärkte heischte, man werde niemanden fallen lassen, könnten sich als Versprechen mit Verfallsdatum herausstellen. Aus Vertrauen der Märkte würde Misstrauen, der Euro käme erneut ins Trudeln. Derweil dürften sich Europas Konkurrenten auf dem Weltmarkt - wie derzeit bereits China - in Griechenland und bei seinen strategisch interessanten Produkten weiter einkaufen, um in der Europäischen Union Fuß zu fassen. Es gibt also viele gute Gründe für die Europäer, bis zuletzt darauf zu hoffen, dass Griechenland für den Euro nicht verloren geht. Auch wenn in Brüssel derzeit niemand weiß, wie das funktionieren sollte. Athen kann nicht einmal seine Mittel aus dem Regionalfonds abrufen, ohne nicht für den Anteil, der selbst finanziert werden muss, Kreditgeber zu suchen.

Nun sind Prognosen bekanntermaßen vor allem dann schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Und auch der Sachverständigenrat der EU gilt nicht als unfehlbar. Dennoch hat der Appell auf einen wichtigen Sachverhalt aufmerksam gemacht: Bei aller Geschlossenheit des Euro-Raums gibt es einen Punkt, an dem die Grundsatztreue auch zu den schlimmsten Schuldensündern zu einem Risiko für die ganze Gemeinschaft wird. Griechenland in dieser Situation umzuschulden und zur Drachme zurückkehren zu lassen, wäre keine Katastrophe. Das Scheitern der Euro-Zone allerdings schon.

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