Kanzlerin in der Klemme

Meinung · Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach ist schon eine gewiefte Taktikerin. Geschickt hat die streitbare CDU-Politikerin jetzt ihren Vorstoß platziert und damit die Regierungsparteien zum Jahresauftakt kräftig in Zugzwang gebracht. Das gilt vor allem für Kanzlerin Merkel, die dank des Kompromissangebotes voller Bedingungen nun in der Klemme sitzt

Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach ist schon eine gewiefte Taktikerin. Geschickt hat die streitbare CDU-Politikerin jetzt ihren Vorstoß platziert und damit die Regierungsparteien zum Jahresauftakt kräftig in Zugzwang gebracht. Das gilt vor allem für Kanzlerin Merkel, die dank des Kompromissangebotes voller Bedingungen nun in der Klemme sitzt. Sicher, CDU und CSU wollen den leidigen Konflikt endlich vom Tisch haben. Deswegen wird das Angebot von Unionsseite auch so gelobt. Und die FDP scheint wegen des ramponierten Koalitionsfriedens froh um einen einigermaßen erträglichen Ausweg, nachdem sie sich wegen der Kritik aus Polen so vehement gegen einen Sitz von Steinbach im Beirat der Vertriebenen-Stiftung ausgesprochen hat. Das ändert aber nichts daran, dass Angela Merkel die Debatte um die Besetzung durch die Vertriebenen zu lange hat wabern lassen; und sie hat zu sehr FDP-Chef Guido Westerwelle das Feld in dieser Frage überlassen. Sie ist diejenige, die dafür nun die Quittung in Form eines fragwürdigen Kataloges mit fünf Forderungen serviert bekommt. Das spricht ganz und gar nicht für die Kanzlerin. Ihr Wort in dieser Frage sollte schließlich das entscheidende sein. Deutlich mehr Einfluss für die Vertriebenen, denen ohnehin schon drei der 13 Sitze im Stiftungsrat zustehen, damit die Präsidentin ihren Rückzug erklärt - das ist Steinbachs einfache Rechnung. Eine Herausforderung. Gibt Merkel nach, wirkt sie in der Tat wie erpressbar, dann stellt auch die Kanzlerin ein schwierig ausgehandeltes, auch von der polnischen Seite weitgehend akzeptiertes Projekt wieder in Frage. Nicht nur, weil dafür das Stiftungsgesetz geändert werden müsste. Der Rückzug von Steinbach wäre in Wahrheit nur ein scheinbarer - weil zugleich der Einfluss ihres Verbandes auf das Vorhaben weiter erhöht würde. Wendet sich Merkel gegen das Angebot der Vertriebenen-Präsidentin, wird sie den (nicht nur in dieser Frage) ohnehin schon großen Zorn der Konservativen in ihrer Partei noch mehr schüren. Die Kanzlerin sitzt also in der Zwickmühle, wie immer sie sich entscheidet, sie wird dabei verlieren. Mitleid ist allerdings fehl am Platze. Statt sich frühzeitig einzuschalten hat die CDU-Chefin die heikle Personalie ausgesessen und sich selbst in diese missliche Lage gebracht. Der Schaden für das gesamte Projekt, der durch die monatelange Debatte entstanden ist, ist inzwischen immens. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Durchsetzung knallharter Interessen deutlich wichtiger ist als das Ziel, die Versöhnung mit dem polnischen Nachbarn voranzutreiben. Und das ist das eigentliche Ärgernis.

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