Geld für Kitas ist Geld für eine bessere Integration

Gütersloh. Irgendwie hatten wir es geahnt - der "Ländermonitor frühkindliche Bildung" der Bertelsmann Stiftung belegt es nun schwarz auf weiß: Kinder zwischen drei und sechs Jahren aus Zuwandererfamilien besuchen weniger häufig eine Kindertageseinrichtung als Gleichaltrige deutscher Abstammung. Zugleich tun sich dabei große Unterschiede zwischen den Bundesländern auf

Gütersloh. Irgendwie hatten wir es geahnt - der "Ländermonitor frühkindliche Bildung" der Bertelsmann Stiftung belegt es nun schwarz auf weiß: Kinder zwischen drei und sechs Jahren aus Zuwandererfamilien besuchen weniger häufig eine Kindertageseinrichtung als Gleichaltrige deutscher Abstammung. Zugleich tun sich dabei große Unterschiede zwischen den Bundesländern auf. Für unser Bildungssystem ist das ein Alarmsignal, auch wenn dabei weniger die Abstammung der Kinder eine Rolle spielen mag als die soziale Herkunft. Denn Kinder aus Zuwandererfamilien leben häufig in sozial schwachen Verhältnissen — und auch bei Kindern mit deutscher Abstammung fällt die Nutzung frühkindlicher Bildungseinrichtungen geringer aus, wenn sie aus einkommensschwachen Familien stammen. Gerade deshalb sind die Zahlen ein weiteres Argument gegen das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld und ein Problem für die Chancengerechtigkeit in unserem Land. Denn zahlreiche Studien zeigen: Frühkindliche Bildungseinrichtungen legen eine Grundlage für spätere Lernerfolge und können mögliche Benachteiligungen wie zum Beispiel durch die Herkunft ausgleichen. Deshalb sollten gerade Kinder aus benachteiligten Verhältnissen oder Zuwandererfamilien eine Kindertageseinrichtung besuchen: Es besteht also Handlungsbedarf.Wer nun nach einer Kita-Pflicht ruft, springt zu kurz. Sie müsste für Kinder ab einem Alter von zwei oder spätestens drei Jahren gelten, wenn sie wirksam sein soll: So etwas gibt es in keinem Land der Welt. Und hierzulande wäre die nötige Grundgesetzänderung wohl kaum durchsetzbar. Es geht aber auch ohne Kita-Pflicht, wie wir in Baden-Württemberg sehen können. Dort gibt es keinen Unterschied zwischen Kindern aus Zuwandererfamilien und deutscher Abstammung bei der Nutzung von Kindertageseinrichtungen. Im südwestlichen Bundesland wird auf allen Politikfeldern eine aktive und aufeinander abgestimmte Integrationspolitik betrieben. Und für die Bildung sowie speziell den Kita-Bereich gibt es schon seit längerem ein Gesamtprogramm. Das zahlt sich offensichtlich aus.Eine ganzheitliche, politikübergreifende Integrationspolitik, das Aufeinanander-zu-gehen aller Beteiligten ist also Teil einer Lösung. Ein weiterer ist die Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtungen selbst: Sie müssen die Vielfalt der Kinder und Eltern berücksichtigen können. Dazu benötigen sie Personal, das interkulturell geschult wird.Teil drei der Lösung lautet schließlich: Barrieren abbauen, die die Nutzung frühkindlicher Bildungseinrichtungen verhindern. Dazu gehört eine bessere Information von Zuwandererfamilien, um mehr Vertrauen zu schaffen. Für mehr Vertrauen kann auch die Beschäftigung von Erzieherinnen sorgen, die selbst einen Migrationshintergrund haben. Und auch finanzielle Barrieren müssen beseitigt werden — etwa bei den Kosten für Ausflüge. Das alles ist nicht zum Nulltarif zu haben. Doch zumindest für das Betreuungsgeld gibt es ja offenkundig noch ausreichend Luft in der öffentlichen Kasse. Dieses Geld wäre für die Verbesserung des frühkindlichen Bildungsangebots besser angelegt. ddp Jörg Dräger (parteilos) ist seit 2008 als Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung unter anderem zuständig für das Thema Bildung. Zuvor war er Wissenschaftssenator in Hamburg.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort