Jamaika auf dünnem Eis

Meinung · Gewählt ist gewählt. Mehrheit bleibt Mehrheit - auch wenn es nur eine Stimme im zweiten Wahlgang war. Annegret Kramp-Karrenbauer wurde gestern als erste Ministerpräsidentin des Saarlandes vereidigt. Doch über ihrer Wahl und dem Jamaika-Bündnis hängen dunkle Wolken. Mindestens zwei Abgeordnete aus den Fraktionen von CDU, FDP oder Grünen haben ihr im ersten Wahlgang die Gefolgschaft verweigert

Gewählt ist gewählt. Mehrheit bleibt Mehrheit - auch wenn es nur eine Stimme im zweiten Wahlgang war. Annegret Kramp-Karrenbauer wurde gestern als erste Ministerpräsidentin des Saarlandes vereidigt. Doch über ihrer Wahl und dem Jamaika-Bündnis hängen dunkle Wolken. Mindestens zwei Abgeordnete aus den Fraktionen von CDU, FDP oder Grünen haben ihr im ersten Wahlgang die Gefolgschaft verweigert. Mindestens ein Abgeordneter aus ihrem Lager hat in beiden Wahlgängen den überraschend angetretenen Gegenkandidaten Heiko Maas gewählt. Dies kann der Anfang vom Ende des Jamaika-Bündnisses sein, zumindest ist der Start der neuen Ministerpräsidentin schwer belastet. Obwohl Kramp-Karrenbauer damit gestern souverän umging, müssen sich alle Mitglieder der Regierungsfraktionen der Erkenntnis stellen, dass sich mindestens zwei unzuverlässige Abgeordnete in den eigenen Reihen befinden. Sie haben den Fortbestand ihrer Koalition aufs Spiel gesetzt und sie kurzzeitig an den Rand des Abgrunds getrieben. Hätte die oder der Abgeordnete, der sich im ersten Wahlgang enthalten hat, für Heiko Maas gestimmt, wäre dieser heute Ministerpräsident. Der Vorgang verstärkt ohnehin vorhandenes Misstrauen und Spannungen in der Koalition. Ihr Zustand war und ist nicht so gut, wie es von den Führungskräften, die alle 27 Stimmen sicher sahen, immer versichert wurde. Das Klima wird jetzt unabwendbar noch schlechter werden. Jamaika bewegt sich spätestens seit gestern auf ganz dünnem Eis. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Akteure wieder sicheren Boden unter die Füße bekommen. Doch der Geruch des Verrats wird fortan den gemeinsamen Weg begleiten - wie kurz oder lang er auch sein mag. Manch einer in der CDU fragt sich ohnehin seit längerem, ob nicht die SPD ein verlässlicherer Weggefährte sein könnte. Da nicht mehr sein langjähriger politischer Gegner Peter Müller an der Spitze der CDU steht, könnte sich Maas kaum verweigern, wenn nach einem Scheitern von Jamaika eine Notlage ohne Aussicht auf Neuwahlen entstehen würde. In vielen zentralen Zukunftsfragen für das Saarland erscheint ohnehin eine Verständigung zwischen CDU und SPD leichter als innerhalb des instabilen Dreierbündnisses. Von ihm wird vor allem ein kompromissgetriebener Koalitionsvertrag abgearbeitet, bei dem viele Maßnahmen an der jeweiligen Basis nur schwer zu vermitteln sind.Auch ohne den gestrigen Wahlkrimi hätte Kramp-Karrenbauer eine schwierige Aufgabe übernommen. Jetzt muss sie noch mehr Ballast schultern und stärkere Belastungen aushalten. Sie sollte nicht unterschätzt werden, darf aber auch von eigenen Parteifreunden und Koalitionspartnern nicht überfordert werden.

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