Ein Königreich für einen Kandidaten

Madrid · Es ist glühend heiß in der spanischen Hauptstadt Madrid , bei annähernd 40 Grad im Schatten bewegen sich die Menschen so wenig wie möglich. Das gilt auch für die Spitzenpolitiker Spaniens, die seit Monaten um eine neue Regierung ringen - und sich bisher keinen Millimeter aufeinander zubewegten. Das musste sogar König Felipe zur Kenntnis nehmen, der zum vierten Mal die Parteiführer zu Regierungsgesprächen in den Palast gerufen hatte - ohne dass sich bisher ein Ausweg aus der politischen Blockade abzeichnen würde.

Und so wurde erwartet, dass das königliche Staatsoberhaupt die Nation in einer Erklärung darauf einstimmt, dass es nicht, wie nach der Neuwahl am 26. Juni erhofft, schnell eine neue Regierung geben wird. Doch es kam anders - zumindest etwas. Der geschäftsführende Ministerpräsident Mariano Rajoy teilte am Abend überraschend mit, dass ihn der König beauftragt habe, wenigstens "eine Regierungsbildung zu versuchen", und dass er diesen Auftrag akzeptiert habe. Jedoch räumte Rajoy zugleich ein, dass er bisher keine Mehrheit im Parlament hinter sich habe und nun, gestärkt durch den königlichen Auftrag, mit den anderen Parteien im Abgeordnetenhaus verhandeln müsse. Das braucht Zeit und ist eine schwierige Mission wie sich schon in der Vergangenheit zeigte.

Die Opposition, zu der die Sozialisten, die linke Protestbewegung Podemos, die liberale Partei Ciudadanos und mehrere Regionalparteien gehören, weigert sich, Rajoy und einer konservativen Minderheitsregierung ins Amt zu helfen. Vor allem, weil Rajoy nach Korruptionsskandalen als untragbar gilt. Rechnerisch haben die Oppositionsparteien eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus, könnten sogar eine alternative Regierung bilden, sind jedoch ideologisch zerstritten.

So geht es nun schon seit Monaten: Das politische Leben im wirtschaftlich viertwichtigsten Land der Eurozone steht still. Seit gut einem Jahr wurden keine Gesetze mehr beschlossen. Seitdem gibt es in dem Land, das einen wachsenden Schuldenberg vor sich herschiebt, keine Reformen, keine Zukunftsinitiativen, keine Sparmaßnahmen. Gerade ist das Königreich wegen seines Defizits von der EU abgemahnt worden. Rajoy, der Ende 2011 an die Macht kam, aber inzwischen seine absolute Mehrheit verlor, ist nur noch geschäftsführend im Amt und kann das Land lediglich kommissarisch verwalten.

Zwei Mal mussten die Spanier in den letzten acht Monaten bereits ein neues Parlament wählen. Und zwei Mal brachte das Wahlergebnis keine klaren Mehrheiten. Nur kurz währte der Optimismus, der sich nach der konstituierenden Sitzung des Parlaments Mitte Juli breit machte, weil sich Rajoys konservative Partei überraschend mit der liberalen Bewegung Ciudadanos und Regionalparteien auf eine Parlamentspräsidentin verständigt hatten. Offenbar war dies nur politischer Opportunismus, um ein paar Posten in der Kammer untereinander zu verteilen. Denn nun, vor der wichtigen Regierungsbildung , ist nichts mehr von dieser Eintracht zu sehen. Wenn die Regierungsgespräche in den nächsten Wochen scheitern, ist es nicht mehr ausgeschlossen, dass die Spanier ein drittes Mal an die Urnen gerufen werden.

Die Bürger scheint dieses Trauerspiel nicht besonders aufzuregen. Nach einer Umfrage sind nur fünf Prozent darüber besorgt, dass es in Spanien keine funktionierende Regierung gibt und sich das Land in einer Art politischer Dauer-Siesta befindet.

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