Ein Finanz-Fuchs soll's in Bremen richten

Bremen · In der ersten Reihe stand Carsten Sieling zuletzt eher selten, aber das dürfte sich jetzt ändern: Der Landesvorstand der Bremer SPD kürte den 56-Jährigen einstimmig zum Wunschnachfolger für den scheidenden Bürgermeister Jens Böhrnsen , der nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl nicht wieder antritt.

Sieling hat große politische Erfahrung und galt intern von Anfang an als Favorit für Böhrnsens Nachfolge, über die ein Parteitag am 2. Juni noch abschließend entscheiden muss.

Der dreifache Vater war bereits Chef der Bremer Landespartei und Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft, ist also bestens vernetzt und an schwierige Führungsaufgaben gewöhnt. Dass das Amt des Bremer Bürgermeisters angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Stadtstaats eine Herausforderung sein wird, ist dem leicht ergrauten Norddeutschen bewusst. Zugleich brauchen seine nach den Wahlverlusten verunsicherten Genossen Orientierung bei der angekündigten "inhaltlichen Profilierung" - kein leichter Job, zumal Sieling in Bremen derzeit kein Parteiamt hat.

Seit 2009 sitzt der in Nienburg an der Weser geborene Sozialdemokrat im Bundestag, gehört unter anderem dem wichtigen Finanzausschuss an. Politisch ist er klar auf dem linken Flügel zu verorten, seine Stimme hat auch in der Bundespartei Gewicht: Seit 2014 ist er Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD-Fraktion . "Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, dass Chancengleichheit herrscht", schreibt er auf seiner Homepage. Sein beruflicher Weg führte den Industriekaufmann, der über den zweiten Bildungsweg studierte und berufsbegleitend in Wirtschaftswissenschaften promovierte, bis zum Referenten bei der Bremer Arbeitnehmerkammer. Später war er Vorstandschef der Verbraucherzentrale in der Hansestadt. Seine inhaltlichen Schwerpunkte will Sieling auf die Bildungspolitik und das Thema Arbeit legen. Außerdem müsse Bremen bei Wohnungsbau und Wirtschaftspolitik handeln.

Von Berlin aus meldete sich der SPD-Mann zuletzt vor allem mit Kritik am transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP zu Wort, zudem verteidigte er vehement den Mindestlohn gegen Kritik aus der Union. Der für das hoch verschuldete Bundesland Bremen le benswichtige Länderfinanzausgleich gehört ebenfalls zu seinen Kernthemen. In der internen Debatte um die Böhrnsen-Nachfolge dürfte das eine Rolle gespielt haben, denn bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen stehen weitreichende Entscheidungen an. Böhrnsen genoss auf diesem Feld viel Ansehen, sein Nachfolger muss schnell in seine Fußstapfen treten.

Neben seinen Berliner Aktivitäten hielt Sieling stets engen Kontakt nach Bremen , die Hälfte des Monats verbringt er nach eigenen Angaben in der Hansestadt. Bekannt ist er dort unter anderem für seine "Praxistage", bei denen er seit 2011 als "Praktikant" in karitativen Organisationen oder Firmen hinter die Kulissen schaut. Den Spagat zwischen der großen Berliner Politbühne und dem beschaulicheren Bremen genießt Sieling als ein "Pendeln zwischen zwei Welten".

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