James Bond lässt grüßen: Berliner Spionage-Thriller

Berlin · Auch i n Deutschland hat James Bond , der smarte Filmheld Ihrer Majestät, Kultstatus. Beim echten Spionage- Thriller jedoch, in dem der amerikanische Geheimdienst NSA die Hauptrolle spielt und der deutsche BND als willfährige Hilfskraft dient, reagieren die Bürger nur mäßig interessiert.

Wohl auch deshalb, weil die Politik bislang kein Interesse hatte, das heikle Thema zu befeuern. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich jetzt eines Besseren besonnen - und die Regie übernommen in dem Stück, in dem nun eine Frau den Bösewicht spielen soll: Angela Merkel.

Gabriel versucht, die Kanzlerin ins Zentrum des Skandals zu rücken. Das mag ein "Affront" sein, wie die Deutsche Presse Agentur gestern schrieb. Doch aus der Perspektive jener, denen die unterwürfige Haltung des Kanzleramts gegenüber den USA schon lange ein Dorn im Auge ist, gehört Merkel genau dort hin: ins Zentrum des Geschehens. Sie ist die Regierungschefin, ihr Handy wurde abgehört, sie hat den Satz geprägt "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht". Und sie hat ,,so wahr mir Gott helfe" geschworen, die Interessen der Bürger und die Gesetze der Bundesrepublik zu wahren und zu verteidigen. Dem Anspruch wird sie nur unzureichend gerecht.

Windelweich hat Merkel auf die Erkenntnis reagiert, dass die Amerikaner sich keinesfalls wie gute Freunde benehmen, sondern ihre Botschaft am Brandenburger Tor zur Spionage-Zentrale ausgebaut haben. Kein Wort des Protests, dass die NSA ungeniert den weltgrößten Internet-Knotenpunkt DE-CIX in Frankfurt/Main anzapfen und sich zugleich von den naiven BND-Helfern im bayerischen Bad Aibling mit wirtschaftsrelevanten Daten beliefern lässt. Die Kritik daran hat wenig mit Anti-Amerikanismus zu tun, aber viel mit Selbstachtung.

Der im Raum stehende Verdacht der Wirtschaftsspionage ist gravierend, und deshalb ist das Lavieren des Kanzleramts unwürdig. Der Vizekanzler fordert zu Recht die Veröffentlichung der Liste mit US-Spähzielen in Deutschland und Europa. Er fordert zu Recht die Ausräumung des Verdachts, dass der BND beim Ausforschen deutscher Unternehmen sogar noch geholfen habe. Dass Gabriel dabei den alarmierenden Begriff der ,,Staatskrise" benutzt, deutet darauf hin, dass der Fall tatsächlich die Kraft hat, die Koalition zu gefährden .

Nun ist der umtriebige Genosse für seine Fähigkeit bekannt, Regieren wie Opponieren so gut zu beherrschen, dass er sogar beides gleichzeitig kann. Doch hinter der gezielten Attacke auf die Kanzlerin steckt mehr als bloßes Polit-Palaver mit Blick auf die nächste Wahl: Zu viel spricht dafür, dass der Verdacht tatsächlich zutrifft. Und noch mehr spricht dafür, dass Merkel keinen Plan hat, wie sie die Zumutungen der Amerikaner parieren soll. Gerade erst hat das US-Repräsentantenhaus einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem die Ausspähung in den USA gebremst und die Privatsphäre der Bürger besser geschützt werden sollen. Warum aber, müsste Merkel nun eigentlich im Weißen Haus nachfragen, soll in Berlin nicht gelten, was in Washington gilt?

Stattdessen lässt sie sich von der Drohung einschüchtern, die NSA würde dem BND keine Informationen mehr liefern, wenn die Spählisten öffentlich würden. Das grenzt an Erpressung. Wer tatsächlich den Terror in der Welt bekämpfen will, kann nicht ernsthaft mit "Liebesentzug" drohen. Hier geht es deshalb nicht um eine Liste, sondern um Grundsätzliches: um das künftige Verhältnis zweier Partner, die sich als Freunde verstehen. Dann muss man sich auch so verhalten.

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