Die „schwarze Null“ ist kein Selbstzweck

Das macht Wolfgang Schäuble wahrscheinlich so schnell niemand nach: Gleich vier Mal in Folge kommen seine Jahres-Etats ohne neue Schulden aus. Zum letzten Mal gab es so etwas in den 1960er Jahren. Der Kassenwart wird damit in die finanzpolitische Geschichtsschreibung eingehen, egal, ob er noch ein weiteres Mal Minister wird oder nicht.

Zur ganzen Wahrheit gehören allerdings auch die günstigen Umstände, die dem CDU-Mann das Haushalten vergleichsweise einfach gemacht haben. Als da wären: Rekordbeschäftigung, niedrige Zinsen und üppige Steuereinnahmen dank florierender Wirtschaft. Die Vorzüge der Niedrigzinsen, nämlich eine billige Bedienung der Altschulden, sind nun aber praktisch ausgereizt. Absehbar legen die Zinsen wieder zu. Auch werden die Steuerzuwächse wohl geringer. Und durch die Alterung der Gesellschaft stehen auch die Renten- und Pflegekassen vor immer größeren Herausforderungen. All das ist auch an Schäubles mittelfristiger Finanzplanung abzulesen, die nunmehr bis ins Jahr 2021 reicht. Ein ausgeglichener Etat, so die Botschaft, ist zwar weiter machbar. Aber so leicht wie in der jüngeren Vergangenheit wird das nicht mehr von der Hand gehen.

Nun ist die "schwarze Null" allerdings auch kein Selbstzweck. Wenn es in Schwimmhallen oder Schulen durchs Dach regnet und die sanitären Einrichtungen nur noch ein rostiges Dasein fristen, kann der Verweis auf die schöne Welt der ausgeglichenen Haushalte beim Volk sogar Wut auslösen. Im Übrigen lässt die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse für den Bund durchaus einen gewissen Kredit-Spielraum - den die Union aber partout nicht nutzen will. Stattdessen rühmt sie sich, die Vorgaben der Schuldenbremse sogar überzuerfüllen. Doch dadurch bleiben notwendige Investitionen auf der Strecke. Und womöglich auch eine durchgreifende Steuerreform. Jedenfalls klingt es danach, wenn Schäuble die Bürger in Sachen Steuersenkungen wieder mal auf die Zeit nach der Bundestagswahl vertröstet.

Dabei muss eine Steuerreform gar keine großen Haushaltslöcher reißen. Den allermeisten wäre ja schon geholfen, wenn es an der Steuerfront endlich gerechter zuginge. Wenn Arbeitseinkünfte nicht mehr stärker besteuert würden als Kapitalerträge. Wenn große Erbschaften vom Fiskus nicht mehr weitgehend verschont blieben so wie jetzt. Und wenn das Wirrwarr bei den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen endlich ein Ende hätte.

An diese Aufgaben hat sich Schäuble nicht herangetraut. Denn seine Union hat neben der "schwarzen Null" noch ein zweites Credo: keine Steuerhöhungen, nirgends. Der vernünftige Ansatz, kleinere und mittlere Einkommen zu entlasten und dafür besonders große zu belasten, die Steuerquote insgesamt also nicht zu erhöhen, ist so von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die nächste Bundesregierung macht das hoffentlich besser.

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