Die Kirche und die K-Frage

Bonn. Die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zu Kondomen haben die Frage aufgeworfen, ob sich damit ein Wandel in der katholischen Lehre zur Empfängnisverhütung abzeichnet. Seit den 60er Jahren ringt die Kirche um die Formulierung einer Sexualmoral. Vor dem Hintergrund des weltweiten Bevölkerungswachstums setzte Papst Johannes XXIII

Bonn. Die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zu Kondomen haben die Frage aufgeworfen, ob sich damit ein Wandel in der katholischen Lehre zur Empfängnisverhütung abzeichnet. Seit den 60er Jahren ringt die Kirche um die Formulierung einer Sexualmoral. Vor dem Hintergrund des weltweiten Bevölkerungswachstums setzte Papst Johannes XXIII. bereits 1963 eine Studienkommission ein, die sich mit Fragen der Geburtenregelung befasste. Sie kam zu dem Urteil, dass Empfängnisverhütung an sich nicht sittlich verwerflich sei. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) äußerte sich zwar nicht direkt zum Thema Empfängnisverhütung, betonte aber, dass die persönliche Gewissensentscheidung der Eheleute für eine verantwortbare Kinderzahl eine Pflicht sei. Ähnlich sah das auch die Mehrheit der Bischofskommission, die Papst Paul VI. berief: Sie sprach sich dafür aus, die Methode der Empfängnisregelung den Ehepaaren zu überlassen. Doch der Papst übernahm in seiner 1968 veröffentlichten Enzyklika "Humanae vitae" die Position, die die Minderheit in dieser Kommission formuliert hatte: Er bestimmte, dass "jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben" müsse. Deshalb lehnt die Enzyklika alle Formen der künstlichen Empfängnisverhütung wie Kondome oder die Pille ab und sieht nur natürliche Methoden der Verhütung wie die Temperatur- oder Zyklusmethode als moralisch vertretbar an. Dies löste weltweit heftige Kontroversen aus. Auch unter kirchentreuen Katholiken ist die Distanz zur kirchlichen Sexualethik in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen. Um jenen Katholiken einen Weg zu öffnen, die über die Wahl der Verhütungsmittel selbst entscheiden wollen, verabschiedeten die deutschen Bischöfe als Ergänzung zu "Humanae vitae" 1968 die "Königsteiner Erklärung". "Wer glaubt", heißt es dort, "in seiner privaten Theorie und Praxis von einer nicht unfehlbaren Lehre des kirchlichen Amtes abweichen zu dürfen (...), muss sich nüchtern und selbstkritisch in seinem Gewissen fragen, ob er dies vor Gott verantworten kann." Damit hatten die deutschen Oberhirten eine Gewissensentscheidung zur Empfängnisverhütung für prinzipiell zulässig erklärt. Durch HIV und Aids stellte sich die Frage des Kondomgebrauchs für die Kirche noch einmal ganz neu. Bislang blieb sie allerdings auch hier beim strengen Nein: Im Jahr 2000 zog die Brasilianische Bischofskonferenz auf Drängen Roms eine Empfehlung zurück, auch Kondome im Kampf gegen Aids zuzulassen. Mitte des vergangenen Jahrzehnts stellten dann führende Vatikanvertreter das Verbot in Frage. 2005 sagte Kurienkardinal Javier Lozano Barragan, eine Frau könne von ihrem HIV-infizierten Ehemann den Gebrauch des Kondoms verlangen. Das gehöre zum Recht auf Selbstverteidigung. Und wenig später erklärte auch der Päpstliche Haustheologe Georges Cottier: "In besonderen Situationen, etwa im Drogenmilieu oder dort, wo eine verbreitete Promiskuität mit großem Elend einhergeht, (...) kann Kondomgebrauch für legitim gehalten werden." Zugleich betonten beide allerdings, dass dies kein Ja zu einer generellen Erlaubnis bedeute: Der verbreitete Einsatz von Kondomen fördere die sexuelle Schrankenlosigkeit, die ihrerseits zur Ausbreitung von Aids beitrage. Die besten Methoden gegen die Epidemie blieben Keuschheit und die Erziehung zu einem verantwortlichen Verhalten.

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