Papst weckt Hoffnung auf Kursänderung der Kirche

Rom/Trier. Zeitenwende in der katholischen Kirche oder doch nur ein Missverständnis: Nach den Äußerungen des Papstes zu einer Lockerung des strikten Kondomverbots rätseln Katholiken weltweit, ob Benedikt XVI. tatsächlich eine Kursänderung seiner Kirche einleiten will

Rom/Trier. Zeitenwende in der katholischen Kirche oder doch nur ein Missverständnis: Nach den Äußerungen des Papstes zu einer Lockerung des strikten Kondomverbots rätseln Katholiken weltweit, ob Benedikt XVI. tatsächlich eine Kursänderung seiner Kirche einleiten will. Der Vatikan wies Berichte zurück, die von einer entscheidenden Wende in der katholischen Lehre zur Empfängnisverhütung sprachen. Auf jeden Fall hat Papst Benedikt eine neue Debatte in seiner Kirche eröffnet. In den am Wochenende vorab veröffentlichten Passagen aus einem Interviewbuch, das heute in Rom präsentiert werden soll, hatte der Papst gesagt, wenn es darum gehe, die Ansteckungsgefahr mit dem HI-Virus zu verringern, könne der Einsatz von Kondomen in "begründeten Einzelfällen" erlaubt sein. Der Vatikan bestritt noch am Sonntag, dass dies ein grundlegender Kurswechsel des katholischen Oberhauptes sei. Trotzdem glauben Beobachter, dass Benedikt einen vorsichtigen Wandel der katholischen Kirche anstoßen könnte. Die Weltgesundheitsorganisation WHO begrüßte die Äußerungen als einen wichtigen Schritt im Kampf gegen Aids. "Es handelt sich nicht um eine Revolution", betonte der vatikanische Pressechef, Federico Lombardi. "Der Papst reformiert nicht die Linie der Kirche, sondern er unterstreicht sie vielmehr, indem er für den Wert und die Würde der menschlichen Sexualität als Ausdruck von Liebe und Verantwortung eintritt." Italienische Medien werteten die Äußerungen des Papstes als "Meilenstein" in der Kirchengeschichte. Katholische Hilfsorganisationen fühlten sich vom Papst im Nachhinein in ihrem Kampf gegen Aids bestätigt. Denn der Einsatz von Kondomen sei schon längst ein übliches Mittel gegen die Seuche, sagte der Chef des katholischen Hilfswerks Misereor, Josef Sayer. Die WHO nannte die Aussagen des Papstes "einen guten Anfang". Der Reformbewegung "Wir sind Kirche" gingen die Ankündigungen des Papstes hingegen nicht weit genug. Mit der anhaltenden Verdammung der Anti-Baby-Pille und der Fokussierung der Sexualität auf die Fortpflanzung sei die Kirche meilenweit von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt, sagte Sprecher Christian Weisner. "Was dringend nötig und längst überfällig ist, das ist eine Neuausrichtung der katholischen Sexualmoral." Der katholische Theologe Hans Küng warf dem Papst reine Taktik vor. Das sei faktisch nur "das Eingeständnis, dass sich diese Lehre nicht aufrechterhalten" lasse, sagte Küng dem Onlinedienst der "Süddeutschen Zeitung". Der für Kirchenfragen zuständige spanische Minister im Amt des Regierungschefs, Ramón Jaúregi, forderte den Vatikan auf, Katholiken generell den Gebrauch von Präservativen zu erlauben. Letztlich habe der Papst gar nichts Neues gesagt, betonte der Tübinger Moraltheologen Dietmar Mieth. Benedikt der XVI. habe lediglich auf eine Ausnahme vom Kondomverbot hingewiesen, das in der katholischen Moraltheologie seit mehr als 40 Jahren anerkannt sei. Auch im Bistum Trier fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. "Es ist gut, wenn sich auf diesem Feld überhaupt etwas tut", sagt Anja Peters, BDKJ-Vorsitzende im Bistum Trierer. "Damit gewinnt die katholische Kirche ein Stück Glaubwürdigkeit. Der Papst macht es vor allem Priestern, Ordensleuten und kirchlichen Laien in der Entwicklungshilfe leichter, die bisher nur ungern auf dieses Thema angesprochen werden wollten", so Peters. Der Katholikenrat des Bistum Triers hate noch kürzlich Bundesregierung und Pharmakonzerne aufgefordert, mehr für Aids-Kranke in Entwicklungsländern zu tun. "Da hilft es, dass der Papst dazu beiträgt, dass die Kirche weniger Angriffsfläche bietet", erklärt Katholikenrats-Vorsitzender Manfred Thesing.

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