Deutschland macht in Frankreich Schule

Paris. Auch Frankreich hat jetzt seine Bildungs-Debatte. Ausgelöst wurde der Streit durch einen parlamentarischen Untersuchungsbericht, aber auch durch den jüngsten "Pisa-Test" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Anders als in Deutschland waren die vorherigen Pisa-Ergebnisse kein Schlagzeilen-Thema gewesen

Paris. Auch Frankreich hat jetzt seine Bildungs-Debatte. Ausgelöst wurde der Streit durch einen parlamentarischen Untersuchungsbericht, aber auch durch den jüngsten "Pisa-Test" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Anders als in Deutschland waren die vorherigen Pisa-Ergebnisse kein Schlagzeilen-Thema gewesen. Nun aber geht es gleich um zwei unterschiedliche Fragen der Schulpolitik: Neben den Ergebnissen der OECD-Studie steht auch die Organisation des Unterrichts zur Debatte.Bildungsminister Luc Chatel will dazu eine große Konferenz veranstalten. Konkrete Vorschläge, wie der Unterricht zeitlich besser gestaltet werden kann, werden für Mai oder Juni erwartet. Zudem gab die Kultus-Kommission der Nationalversammlung einen Untersuchungsbericht in Auftrag, der die erst 2008 eingeführte Vier-Tage-Woche in Frankreichs Grundschulen bewerten sollte. Damals wurde der Samstagsunterricht abgeschafft, auch der Mittwoch ist komplett schulfrei. Das Ergebnis des Berichts ist niederschmetternd. Die Vier-Tage-Woche für Grundschüler müsse wieder abgeschafft werden, fordern die Autoren, Xavier Breton von der konservativen Regierungspartei UMP und der Sozialist Yves Durand. Ihre Begründung: Die dadurch notwendige Konzentration des Unterrichts auf nur wenige Tage wirke sich negativ auf die Schüler aus, lasse sie schneller ermüden.

Zugleich plädieren Breton und Durand für eine Verkürzung der zweimonatigen Sommerferien. Diese Pause sei zu lang. Der Schulbeginn im September gestalte sich deshalb zu schleppend, argumentieren sie. Zudem hätten nicht alle Familien die Mittel, zwei Monate lang Urlaub zu machen. Französische Schüler haben während eines Schuljahres nur an 144 Tagen Unterricht, während es bei Schülern der übrigen OECD-Länder im Schnitt 180 Tage sind. Das hat zur Folge, dass die Unterrichtstage an Frankreichs Schulen länger sind als in anderen Ländern.

Verstärkt wurde der kritische Untersuchungsbericht durch den neuen Pisa-Test. Denn dort landeten französische Schüler nur im Mittelfeld. Schlimmer noch: Ihre Ergebnisse sackten seit dem ersten Pisa-Test im Jahr 2000 deutlich ab. Lag Frankreich damals noch auf Platz zwölf, findet sich das Nachbarland mittlerweile auf Rang 21 wieder. Zudem vergrößerte sich die Gruppe der schlechten Schüler seither um fünf Prozent auf 22,5 Prozent, während die Gruppe der besten Schüler nur von 8,5 auf 9,6 Prozent zunahm. Die Kluft zwischen den Klassenbesten und den schlechten Schülern wird also immer größer. Anders gesagt: Das französische Schulsystem nützt vor allem den Eliten. Der Pisa-Test aber belegt, dass Länder ohne Elite-Systeme bei der Bildung die besten Ergebnisse erreichen.

Eine Reform des Schulsystems könnte angesichts der jetzt angefachten Diskussion zum wichtigen Thema bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2012 werden. Die derzeitige Bildungspolitik werde nur durch die guten Schüler gerettet, sagen Experten. Frankreich müsse sich deshalb dringend um die Lernschwachen kümmern. Dabei verweisen sie auf Deutschland und Portugal. Beide Länder haben im Gegensatz zu Frankreich ihre Pisa-Ergebnisse in den vergangenen Jahren verbessert. Deutschland durch die stärkere Verbreitung von Ganztags-Unterricht, von dem schlechte Schüler besonders profitieren. Portugal wiederum versucht, die sozialen Unterschiede in den Klassen abzufedern.

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