Auszug der Ausgebeuteten

Drei Monate sind vergangen seit der Flüchtlings-Katastrophe vor Lampedusa, und noch immer hat Europa keine Idee, wie man des wachsenden Problems Herr werden kann. Der Versuch, sich an einer Änderung des gemeinsamen Asylrechts festzuklammern, hilft ebenso wenig wie die ständig neuen Anläufe, die Überwachung der Außengrenzen zu verstärken.

Die Wucht des Zustroms wird größer, der Aufbruch der Verzweifelten erfasst immer größere Bevölkerungsschichten und immer mehr Länder.

Was Europa heute mit den Mitteln der Außen- und Entwicklungspolitik nicht schafft, wird uns morgen als innenpolitisches Thema wieder beschäftigen. Der bittere Satz über die Probleme Afrikas, die man nicht auf europäischem Boden lösen kann, ist ja richtig. Denn ein paar frisch gebohrte Brunnen oder Pilotprojekte am Rand der Sahara sind zwar gut gemeint, aber es geht doch um mehr. Afrika braucht einen Anschluss an die Weltwirtschaft und Zugang zu den globalen Märkten. Ein entwicklungspolitisches Trostpflaster schafft weder stabile Staaten noch demokratische Regierungen. Und es beseitigt schon gar keine Fluchtursachen.

Völlig zu Recht hat die EU in den vergangenen Jahren viel Kraft und Aufmerksamkeit in Richtung Osten investiert. Afrika dagegen tauchte im Wesentlichen als Verhandlungspartner bei Fragen der Grenzsicherung auf. Das ist zu wenig. Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit innerer Reformen der Gemeinschaft - sie muss über ihre Grenzen hinausblicken. Der Streit um das Asylrecht und seine Dublin-II-Verordnung lenkt lediglich ab. Afrika braucht Europa als Partner, als Berater, als Helfer - nicht als Ausbeuter.

Wie weit wir von einer solchen Situation entfernt sind, zeigt der jahrelange Krach um die Fangquoten für EU-Trawler in den Fischgründen des schwarzen Kontinents. Lange, viel zu lange haben die westlichen Flotten die Gewässer vor Afrikas Küste leergeräumt. Und mussten schließlich gezwungen werden, das Feld denen zu überlassen, die vor Ort hungerten. Solche Praktiken verursachen die Armut und schaffen jene radikalen Staatsführungen, die am Ende Flüchtlingsmärsche nach sich ziehen.

Nicht nur Afrika, auch Europa muss noch viel lernen. Mag sein, dass eine Neuausrichtung der EU-Außenpolitik keine kurzfristigen Lösungen bringt. Aber sie ist der einzige Weg, um den Menschen dauerhaft zu helfen - und damit am Ende auch sich selbst. Dass diese Rechnung auch finanziell aufgehen wird, ist absehbar. Die Aufwendungen, die Europa und die Mitgliedstaaten für Flüchtlinge leisten, wären besser angelegt, wenn man damit den afrikanischen Staaten helfen würde, wirtschaftlich Fuß zu fassen. Und sie auf diese Weise dabei unterstützt, ihre Bürger im Land zu halten.

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