Militärhilfe reicht nicht Afrika müsste Europa noch viel näher sein

Die EU will den Afrikanern militärisch helfen. Das mag richtig sein. Doch der Kontinent braucht mehr Unterstützung - auch im Interesse der Europäer.

Afrika müsste Europa

noch viel näher sein
Foto: SZ/Robby Lorenz

Eine Afrika-Konferenz vor dem EU-Gipfel – man könnte meinen, dass Europa die Herausforderung verstanden hat. Bei der Solidarität mit den Sahel-Staaten geht es nicht nur um den drängenden Wunsch nach Beseitigung der Fluchtursachen, damit die Zuwanderung nach Westen gestoppt wird. Viel wichtiger ist es, diese von Armut und terroristischer Infiltration verwundete Region zu stabilisieren, weil die Unruhe dort auf Europa ausstrahlt – egal, ob es um Drogengeschäfte oder Terroristen geht, die sich in den Regionen Afrikas, in denen Staaten noch immer nicht funktionieren, eine Rückzugs- oder Ausgangsbasis schaffen wollen. Und wo die Politik versagt, fallen die Botschaften der Extremisten auf fruchtbaren Boden. Auch wenn es oft das Einzige ist, was dort wirklich gesät und geerntet wird.

Die Absichten der EU sind gut. Es ist auch richtig, die Eingreiftruppe der afrikanischen Staaten zu unterstützen. Doch niemand sollte sich etwas vormachen: Mit zusätzlichen 5000 Soldaten, die die dort bereits stationierten Kräfte aus Frankreich und übrigens auch Deutschland sowie die UN-Truppen ergänzen sollen, lässt sich nicht herstellen, was jahrzehntelange Kämpfe zerstört haben. Die Versuche Europas, der USA und der Afrikanischen Union, diesen Ländern zu helfen, brauchen einen langen Atem.

Das wird für eine Gemeinschaft, die selbst gerade die Gelder für ihre nächste Finanzperiode ab 2021 zusammenkratzen muss, nicht einfach. Mit London ein Nettozahler weniger – das reißt ein tiefes Loch in den ohnehin schon knapp gerechneten Etat. Außer der Bundesrepublik hat bisher kein Mitgliedsland signalisiert, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen, obwohl die Herausforderungen stetig wachsen. Um es offen zu sagen: Die Sorge um den Erhalt der Strukturmittel für die geringer entwickelten europäischen Regionen fällt ungleich größer aus als Gedanken  um eine Stabilisierung Afrikas macht. Das könnte, nein: das wird sich rächen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel sich mit ihrem gestrigen Bekenntnis im Bundestag zur Beseitigung der Fluchtursachen nicht durchsetzt. Dabei darf es dann aber eben nicht nur um die Finanzierung einer multinationalen afrikanischen Armee gehen, sondern auch um ökonomische Perspektiven für einen Kontinent, der die Folgen des Klimawandels längst zu spüren bekommt.

Diese Zusammenhänge zu leugnen, hat die Entwicklungszusammenarbeit der vergangenen Jahrzehnte häufig wirkungslos gemacht. Afrika braucht politische Stabilität, um staatliche Strukturen zu installieren, die den Menschen (soziale) Sicherheit geben. Und es ist ebenso nötig, die Wirtschaft der Länder im Sahel anzukurbeln und ihnen einen Zugang zu den Märkten zu schaffen, weil es keinen anderen Weg hin zu einem selbstständigen und stolzen Afrika gibt. Denn genau das wollen die Menschen: Niemand flieht gerne. Alle drängen darauf, ihre Heimat aufzubauen und stolz auf das Erreichte zu sein – und endlich ohne Kriege und Stammesfehden eine Zukunft zu haben. Die EU wird dabei eine wichtige Rolle spielen müssen, ob sie will oder nicht.

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