Vom Traum zum Albtraum

Das Glück währte 45 Jahre. Michael Schumacher lebte, bis zum Mittag des 29.

Dezember 2013, auf der Sonnenseite des Lebens. Er war in einem solch außergewöhnlichen Maße erfolgreich, dass er zu einem Topstar aufstieg, verehrt und bewundert von Millionen Menschen. Nun scheint dieses Glück zerstört. Allem Ruhm und Reichtum zum Trotz hat eine kleine Unachtsamkeit, eine winzige Portion Pech ausgereicht, um Schumachers märchenhaften Traum in einen Albtraum zu verwandeln. Denn selbst wenn er seine schweren Verletzungen überlebt - nichts mehr wird so sein, wie es einmal war.

Welch ein Drama! Ein internationaler Held, der über viele Jahre hinweg dem gefährlichsten Sport der Welt frönte, der stets am Limit fuhr, aber doch immer besonnen wirkte, wird von einem dummen Zufall in ein Schattenreich katapultiert. Was zu oft vergessen wird: ähnlich schwere Schicksale haben jedes Jahr tausende Menschen zu bewältigen, überall auf der Welt kommt es fortwährend zu schlimmen Unfällen. Dass ausgerechnet der Volkssport Ski dem Teufelskerl Schumacher zum Verhängnis werden sollte, entbehrt aber nicht einer gewissen Tragik. Es ruft den Menschen ins Bewusstsein, dass ein Allerweltsereignis ausreicht, um das Leben komplett auf den Kopf zu stülpen.

Obwohl der siebenfache Weltmeister nicht überall auf Sympathie stieß, weil er Rücksichtnahme auf der Rennpiste als wenig zielführend betrachtete, ist das Mitgefühl nicht nur bei Motorsportfans groß. Denn der agile Athlet aus Kerpen, der seinen 45. Geburtstag gestern im Koma verbringen musste, stand für "selbstgemachten" Erfolg, für Können, Fleiß und Disziplin. Wenn man so will: Für typisch deutsche Tugenden. Das hat den Leuten imponiert, dafür hat man ihm Respekt gezollt, auch wenn sein Wohnsitz im Schweizer Steuerparadies zugleich Anlass zur Kritik bot. Aber Schumacher hat Emotionen geweckt und die Gemüter bewegt, durch seine Dauerpräsenz in den Medien ist eine virtuelle Nähe entstanden. Auch deshalb lässt sein Schicksal die Menschen nicht kalt.

Der Fall Schumacher ist aber auch spektakulär, weil der umjubelte Formel-1-Pilot nun als Reflexionsfläche ausgedient hat - und zur Person mit Opferstatus wird. Sein Leiden wird öffentlich präsentiert, zugleich dürsten die Menschen nach Informationen, was sich in dem immensen Interesse der Medien vor der Klinik in Grenoble widerspiegelt. Auf jeden Fall ist zu hoffen, dass Schumacher nicht das Schicksal des großen saarländischen Handballers Joachim Deckarm erleiden muss, der nach einem tragischen Sportunfall zum Invaliden wurde. Wie immer das Drama um die Sportlegende Schumacher ausgehen wird: Sein Ruf als Ikone des Rennsports wird dauerhaft sein.

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