Qierschieder Schmuckstück Ein Blick auf die Kulisse der Q.lisse
Quierschied · Das neue Kulturhaus Q.lisse in Quierschied könnte zum Modell für andere Orte im Saarland werden – mit dem Neubau hat die Gemeinde ein neues Herzstück mitten im Ortszentrum.
Auch für die Bergarbeiter-Kommune Quierschied mit ihren rund 13 000 Einwohnern war die Schließung der Kohlegruben ein großes Problem. Dem Zentrum ist anzusehen, wie der Ort einige Jahre lang verwelkte. Mit dem neuen Kultursaal, entworfen von Hepp + Zenner Architekten aus Saarbrücken, wurde der Innenstadt nun jedoch nicht nur ein architektonischer Glanzpunkt verliehen, sondern auch erfolgreicher Städtebau betrieben. Der Q.lisse genannte Neubau steht nicht eitel auf dem Marktplatz, sondern rahmt ihn so geschickt, dass eine visuelle Korrespondenz zur ortsbildprägenden neugotischen Kirche Maria Himmelfahrt entsteht. Die Natursteinfassaden aus Muschelkalk und die gebrochene Dachform sind von der nahen Kirche abgleitet.
Der Knick in beiden Längsseiten des neuen Kulturhauses in Quierschied wirkt nur auf den ersten Blick modisch – er ist kalkuliert und sinnvoll, weil so das Gebäude weniger massiv wirkt und im Zentrum seine größte Raumtiefe hat. Das abschüssige Grundstück am Rathausplatz erlaubt Eingänge auf zwei Ebenen und zwei Seiten. Der Haupteingang liegt auf der oberen Ebene, zur Rathausstraße hin. Auf der unteren Ebene schaut eine Sparkassenfiliale auf den Marktplatz hinaus. Das Gebäude ist janusköpfig. Zu einem gelungenen Beispiel von „urbaner Akupunktur“, die heute in aller Munde der Stadtplaner-Welt ist, macht den kleinen Kulturbau vor allem seine kluge Verbindung zum Außenraum.
Die Q.lisse nutzt die kongeniale Gestaltung des Vorplatzes als effektvolle Verlängerung der Baukunst in den öffentlichen Raum hinein. Die Außenanlagen rund um den Neubau hat das Büro HDK Dutt & Kist aus Saarbrücken gestaltet, es fügt Gebäude und Freifläche zu einer Einheit zusammen. Die markiert damit für Quierschied eine neue Ortsmitte mit Aufenthaltsqualität. Diese Lösung war völlig zu Recht im Wettbewerb mit dem 1. Preis ausgezeichnet worden.
Grundidee von Architekten und Außenraumplanern ist die Arrondierung der Freiraum-Achse zu einer neuen kulturellen Adresse, die als Haus der Kultur das bestehende Ensemble aus Rathaus und Kirche ergänzt. Die Freifläche dient als Marktplatz, für Feste und Veranstaltungen und als repräsentatives Rathausumfeld und Kirchenvorplatz. Neben der Hauptbewegungsachse gibt es Rampen für die Barrierefreiheit.
Die Topographie wird über Terrassen regelrecht inszeniert, die Vorflächen erzeugen Übergange zur Außenanlage. Neubau und Platzgestaltung sollen das Ortsinnere beleben. Der Kunstname Q.lisse führt allerdings in die Irre, denn eine bloße Kulisse ist der Neubau nicht – vielmehr ein Ortsbaustein. Die mehrfach abgeschrägte Kubatur des straßenbegleitenden Gebäudes ist im Inneraum so kalkuliert, dass attraktive Blicke auf Quierschied entstehen. Der teilbare Saal für Musik- und Theateraufführungen lebt vom Tageslicht, das durch raumhohe Fenster fällt, von gelaugtem Eichen-Parkett und von moderner Technik, die architektonisch gezähmt wurde.
Braucht eine kleine Kommune ein großes Kulturhaus? Der Saal bietet bestuhlt immerhin 300 Personen Platz. Die Architekten haben aber keinen untergenutzten Prestige-Saal entworfen, sondern dem Haus mit Küche und fahrbarer Trennwand die Möglichkeit gegeben, ganz unterschiedlich genutzt zu werden.
Die Dachüberstände garantieren Witterungsschutz an den Eingängen und formulieren ansprechende Entrées. Über das zweigeschossige Foyer gelangen Besucher in den Saal. Ein separater Eingang ermöglicht den Zugang zur Bühne für Künstler und Akteure.
Die Architekten wollten „kein Sonntags-Gebäude“ schaffen, wie der Architekt Thomas Hepp im Gespräch sagt, sondern ein „robustes Haus, das jeden Tag und von jedem Bürger genutzt werden kann“. Bereits bei der „lllipse“ im nahe gelegenen Illingen hatten Hepp + Zenner bewiesen, dass sie viel Mühe darauf verwenden, auch auf dem Land qualitätvolle Kulturhäuser zu bauen. Der Neubau in Quierschied ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie mit relativ geringem Aufwand ein Gebäude gebaut werden kann, das weit auf seine Umgebung ausstrahlt – wie in der Akupunktur können auch in der Stadtgestaltung kleine Interventionen große Wirkung haben.
Es gibt im Saarland viele kleine und mittlere Gemeinden, die im Zeitalter von begrenzten Budgets und Ressourcen von solch einem lokalen Ansatz profitieren könnten. Ein einzelnes Gebäude bietet die Möglichkeit, einen städtebaulich unvollendeten Platz räumlich zu fassen und aufzuladen. Die ganzheitliche Herangehensweise, einen Stadtraum zu komponieren und Solitäre in den Dienst einer Gesamtwirkung zu stellen, wurde einst vor hundert Jahren von Otto Wagner aufgestellt. Hier hat Thomas Hepp sie auf kluge Art wieder entdeckt.