Beeindruckende Dauerimprovisationen

Saarbrücken · Liebhaber des Freejazz kamen am Wochenende bei einem Festival in Saarbrücken auf ihre Kosten.

Gut gefüllte Zuschauerränge gab es am Wochenende beim "3. FreejazzFestival Saarbrücken 2017". Wie den ersten Jahrgängen, so lässt sich auch dieser Ausgabe wieder ein ganz eigenes Flair bescheinigen: entspannt, warmherzig, humorvoll. Trotz des Erfolges trägt sich ein solch überschaubares Treffen fernab der Massenkultur freilich nicht. Davon können die Organisatoren Stefan Winkler, Thomas Geisler, Hans Husel und Christof Thewes ein Lied singen, die mit ihrem Engagement eine Freejazz-Lücke schließen wollen: Die Zukunft ihres Festivals hängt von weiteren Förderern ab, die wider den Zeitgeist das Außergewöhnliche unterstützen möchten.

Eine treffliche Idee war die Verpflichtung des Globe Unity Orchestra (GUO), um dessen Mitglieder sich das gesamte viertägige Treffen rankte. Der Auftritt des 1966 ins Leben gerufenen, wohl ältesten Großensembles des Genres lockte am Samstag denn auch mehr als nur eingefleischte Freejazzer in den Rathausfestsaal. Und wer nicht da war, hat definitiv etwas verpasst. Auch wenn die Klavierkaskaden des Gründers und GUO-Chefs Alexander von Schlippenbach trotz elektrischer Verstärkung häufig in der Gesamtlautstärke untergingen. Kein Wunder, bei dem Elan, der hier auf dem Podium herrschte. Die zehn GUO-Mannen, darunter lebende Saxofon-Legenden wie Gerd Dudek, Ernst-Ludwig Petrowsky und Evan Parker, legten sich ins Zeug, als ginge es um ihr Leben. Schieres Powerplay prägte das erste Set. Und der unvergleichliche Paul Lovens krönte das Ganze mit kernigen Knüffen in die Felle und Becken seines Schlagzeugs. Auch die zweite Hälfte verlief phonstark, aber mit Ruhepunkten: Da konnte etwa Schlippenbach zeigen, wie unter seinen Händen alleine schon das Klavier zum Orchester wuchs.

Tosende Ovationen für einen Abend, der in seinem uneingeschränkten Offenbarungscharakter viel von der Essenz des Freejazz‘ freizulegen vermochte. Zur Grundierung ihres zweiten Sets hatte die illustere Großformation den Kontrabassisten Jan Roder eingeladen.

Roder hatte seit Mittwoch auch jene Festival-Workshopband geleitet, die den Freitagabend im Kleinen Theater im Rathaus eröffnete. Das mit durchaus bekannten Gesichtern der regionalen Jazzszene besetzte Ad-hoc-Ensemble konnte sich sehr wohl hören lassen: Eine dreiviertelstündige Dauerimprovisation war farbenreich, klangtransparent und punktete mit schlüssiger Dramaturgie. Anschließend gehörte die Kellerbühne einem Quintett, das gleichfalls überwiegend aus Musikern saarländischer Herkunft bestand. Markenzeichen war das schlanke und jazz-untypische Timbre der Mandoline von Martin "Schmiddi" Schmidt - ein spannender Kontrast zum bombastisch-verfremdeten Klang von Thomas Honeckers E-Gitarre. Im Verein mit Hartmut Oßwald (Saxofon), Wolfgang Reimers (Saxofon; aus Frankfurt) und Daniel Schmitz (Trompete) keimten dichte und ereignisreiche Gruppenfantasien. War das um Christof Thewes verstärkte Berliner Quartett "Die Enttäuschung" schließlich tatsächlich enttäuschend im abwertenden Sinn? Nur für engstirnige Freejazzfanatiker.

Doch geht es den Saarbrücker Festivalmachern vor allem um die "Haltung" hinter dem Begriff, wie Hans Husel zu betonen pflegt. Liebhaber von überraschender und intelligenter Musik mit kräftigem Augenzwinkern waren bei Thewes (Posaune), Rudi Mahall (Bassklarinette), Axel Dörner (Trompete), Jan Roder (Bass) und Michael Griener (Schlagzeug) an der goldrichtigen Adresse.

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