Mehr Verantwortung für Stadtväter

Brüssel/Straßburg · Künftig dürfen Kommunen in größerem Maße wieder ohne Einmischung Brüssels und ohne europaweite Ausschreibungen Aufträge an eigene Unternehmen wie zum Beispiel Stadtwerke direkt vergeben.

 Städte dürfen weiterhin ihre eigenen Firmen mit dem Betrieb der Wasserwerke beauftragen. Foto: Maurer

Städte dürfen weiterhin ihre eigenen Firmen mit dem Betrieb der Wasserwerke beauftragen. Foto: Maurer

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So manch ein Stadtvater dürfte aufgeatmet haben, als gestern die erlösende Nachricht aus Straßburg eintraf: Das EU-Parlament hat neue Leitlinien für die Vergabe öffentlicher Aufträge beschlossen und dabei im Sinne der Kommunen gehandelt. "Ein großer Fortschritt", kommentierte der CDU-Europa-Politiker Andreas Schwab. "Die Bürger haben ein Anrecht auf hochwertige öffentliche Dienstleistungen - von den Krankenhäusern bis zur Müllabfuhr", lobte die sozialdemokratische Parlamentarierin Evelyne Gebhardt.

Nachdem die EU-Kommission vor rund einem Jahr die öffentliche Wasserversorgung aus dem Geltungsbereich der insgesamt drei Richtlinien und einer Verordnung herausgenommen und damit den Befürchtungen einer Privatisierung den Boden entzogen hatte, war der Weg für das Paket frei. Künftig dürfen Stadtväter ohne Einmischung Brüssels und ohne europaweite Ausschreibungen Aufträge an eigene Unternehmen wie zum Beispiel Stadtwerke direkt vergeben. Das betrifft den öffentlichen Personennahverkehr, die Abfallentsorgung und vor allem das Wasser. Auch die Notfall-Rettung und -Versorgung kann ohne ausländische Konkurrenz geregelt werden, sofern der Auftrag an ehrenamtliche Vereinigungen geht.

Ansonsten gilt: Bau-Vorhaben oberhalb von fünf Millionen und sonstige Dienstleistungen, die die Grenze von 130 000 Euro überschreiten, müssen EU-weit ausgeschrieben werden. Allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: "Große Aufträge können verstärkt in kleine Einheiten aufgeteilt werden", erklärt Jürgen Creutzmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der Liberalen im EU-Parlament. "Das kommt den kleinen und mittelständischen Betrieben zugute." Denn sie sollen künftig mehr vom großen Kuchen der öffentlichen Aufträge abbekommen, die immerhin 18 Prozent der Wirtschaftsleistung in der EU auslösen.

Tatsächlich macht Brüssel es kleineren Betrieben leichter, sich auch um Aufträge im Nachbarland zu bewerben: Die EU-Kommission wird innerhalb der nächsten drei Jahre ein Webportal erstellen, über das interessierte Betriebe offene Ausschreibungen abrufen können, die mit Hilfe eines vereinheitlichten Formulars einfach zu sichten sein werden. Wer sich um einen Auftrag bewirbt, kann dies mit einem einfachen Kostenvoranschlag tun. Weitere Unterlagen werden erst fällig, wenn man den Zuschlag erhalten hat. Die vielleicht wichtigste Entlastung: Behörden dürfen keine zusätzlichen Nachweise mehr verlangen, die sie sich nicht selbst auch anderweitig beschaffen können.

Diese Auftragsvergabe ist "moderner, einfacher, transparenter und schiebt Korruption sowie Vetternwirtschaft einen Riegel vor", sagte Creutzmann. "Handwerksbetriebe und Mittelständler haben es nun leichter, auch an Aufträge außerhalb der Landesgrenzen zu kommen", ergänzte Schwab. Diese Neuregelung für die Abwicklung von Aufträgen soll unverzüglich umgesetzt werden, für die übrigen Bestandteile des Paketes ist eine Übergangsfrist von viereinhalb Jahren vorgesehen.

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