Wenn die Mädels mal Rückgrat zeigen

Merzig · Von wegen glattes Musical: Die freitägliche Merziger Premiere von „9 to 5“ hat gezeigt, dass man solch einen musenleichten Abend durchaus nuanciert und ausdrucksstark inszenieren kann. Das Ensemble überzeugt und die Musiker machen mächtig Dampf.

 Wenn's sein muss, legt man den Chef eben flach, um ihn sich untertan zu machen. Foto: Rolf Ruppenthal

Wenn's sein muss, legt man den Chef eben flach, um ihn sich untertan zu machen. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Der Start ist schwungvoll, tänzerisch, laut, es geht sofort zur Sache. Vier kühl-graue Aufzüge und klappernde Schreibmaschinen machen schnell klar: Dies ist ein Büro. Chef Franklin Hart junior schikaniert seine "Mädels," die emsig von "9 to 5" acht Stunden ihrer Lebenszeit der Firma widmen. Gedankt wird es ihnen nicht, das Arbeitsklima ist mies. "Liegt es daran, dass ich ein sexistischer, egoistischer, engstirniger, verlogener Heuchler bin?" dämmert es dem Chef, dessen ölige Widerwärtigkeit Darsteller Frank Winkels mit bloßer Stimme vermittelt. Ihm wird es später an den Kragen gehen. Zunächst darf er jedoch in bester Chauvi-Manier "die Neue" begutachten: Sie sehe gar nicht übel aus, "für'n Mädel, das sich schon ein bisschen Profil von den Reifen gefahren habe".

Musik&Theater Saar-Kopf Joachim Arnold hat im Merziger Zeltpalast die deutsche Erstproduktion auf die Beine gestellt. Die Premiere am Freitag lockte Musicalfreunde, Kulturschickeria, Polit- und Wirtschaftsprominenz in das stimmungsvolle Ambiente unter klarem Mondhimmel. Countryikone Dolly Parton, 1946 in Tennessee geboren, schrieb die Lieder für die Frauen-Power-Geschichte, die 1980 zunächst als Film herauskam. Hommage an Parton ist die Figur Doralee, die selbstironisch ihr bonbonfarbenes Auftreten mit einem flotten Countrylied verteidigt - "so lebt nun mal ein Doralee-Landei seinen Traum", als "blonde Bauern-Barbie", die man nicht nur nach dem Äußeren beurteilen sollte. Doralee (Sarah Bowden) und Franklin Hart (Frank Winkels) geben ein routiniertes Ballett, hier die aufgebrezelte Sexbombe, da der Verehrer in Machtposition - ein ewiges Spiel ohne Gewinner. Violet, die Chefsekretärin (Edda Petri), versucht, ihre Karriere durch Professionalität nach vorne zu bringen. Judy (Sabrina Harper) macht als verlassene Ehefrau erste Schritte in die Arbeitswelt und entschuldigt sich fortwährend. Den drei sehr unterschiedlichen Frauen gelingt ein Putsch, sie entführen ihren Chef und decken dessen unlautere Praktiken auf. Zunächst müssen sie sich erst mal selbst zusammenraufen, wozu ein gemeinsames Feindbild immer dienlich ist, etwa die unverrückbar an Harts Seite stehende Assistentin Roz, eine altjüngferliche Bürospionin, in der unerwiderte Leidenschaft für den Chef lodert.

In den Texten steckt viel Wortwitz, und eine große Stärke der Aufführung liegt darin, dass man jedes Wort verstehen kann, ob gesungen oder gesprochen. Die drei Frauen machen jede einen Wandel durch, entdecken neue andere Seiten an sich. Doralee löst als echtes Cowgirl Probleme auch mal rustikaler, die nüchterne Violet zeigt Gefühl und die brave Judy kontert mit Knarre in der Hand. "Was ist denn in Dich gefahren?" wird sie vom Entführten angeherrscht und antwortet prompt: "Rückgrat." Das Publikum jubelt, als sie schließlich auch ihren reuigen Ex-Mann singend zum Teufel jagt: "Ich schaff' es auch allein." Den Darstellerinnen gelingt fern aller "Musical-Glätte" ein ausdruckstarkes Spiel.

In die Tanzeinlagen (Choreographie: Danny Costello) werden fast unmerklich sämtliche Bühnenumbauten eingearbeitet, behände tanzen die 14 Bühnenprofis Tische rein und wieder raus, zaubern das Chefbüro herbei, oder das heimische Bett, in dem der gefesselte Hart der Dinge harrt. Der bekommt, ganz amerikanisch, das, was er verdient. Ob sie nun mit beschriebener Klorolle auf Frank Winkels alias Hart Jr. zutänzelt oder in klamaukiger Selbstentblößung ihre Liebe zum Chef gesteht, April Hailer spielt die Roz exakt getaktet und gibt ihr dadurch bei aller Komik viel Würde. Mit Geschick werden ganze Handlungsstränge in halbminütigen Sequenzen erzählt. Kevin Schroeder ist in seiner wunderbaren Textübertragung eigene Wege gegangen, die Musiker um Hans Christian Petzoldt machen ordentlich Dampf. Es scheint, als habe Regisseur Alex Balga hier jeden seine Qualitäten ausleben lassen und so für ein gelungenes Ganzes gesorgt.

Nächste Vorstellungen: 19. und 20.8. (20 Uhr), 21.8. (16 Uhr).

Ticket-Hotline: (06 51) 97 90 777.

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