Ausstellung in Frankfurt Minimalistische Mode für Eigenwillige

Frankfurt · Die Kreationen international bekannter Modeschöpfer schaffen es immer häufiger ins Museum. Das gilt auch für Jil Sander. Das Frankfurter Museum für Angewandte Kunst widmet ihr derzeit eine Ausstellung.

 Streng, minimalistisch, edel: Mit diesem unverkennbaren Look schrieb Jil Sander Modegeschichte. Das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt widmet der Designerin eine Schau.

Streng, minimalistisch, edel: Mit diesem unverkennbaren Look schrieb Jil Sander Modegeschichte. Das Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt widmet der Designerin eine Schau.

Foto: Paul Warchol/Museum für Angewandte Kunst/PAUL WARCHOL

Bevor man die Ausstellung betritt, hört man sie schon. Bereits im Foyer des Baus am Frankfurter Mainufer tritt der Besucher ein in eine Klanginstallation. Seit den 1990ern ist Jil Sander bekannt dafür, dass sie für ihre Defilées mit Komponisten und Klangkünstlern zusammenarbeitet. Und so sind alle Ausstellungsbereiche auf insgesamt sehr großzügigen 3000 Quadratmetern unterlegt von futuristischen, mal sphärisch-meditativen, dann wieder elektropoppigen, teils auch klassischen Klängen. Die Ausstellung ist nicht als Retrospektive angelegt, sondern als Gesamtkunstwerk – und damit ebenso puristisch wie die Mode Jil Sanders. Auf drei Etagen hat die aus Hamburg stammende Designerin gemeinsam mit Matthias Wagner K Raumkompositionen geschaffen, in denen die eigenwillig-verwinkelte Architektur des Museums mit der sachlichen, klaren Ästhetik von Jil Sanders Modekollektionen in Beziehung tritt.

Viel Platz nimmt man sich, um wenige Entwürfe zu präsentieren – ganz Sanders Ästhetik folgend, die sich auf das absolut Notwendige konzentriert, damit es seine Wirkung entfalten kann. „Man muss der Versuchung widerstehen, jede Leere zu füllen“ liest man ein auf die Wand aufgebrachtes Zitat der Designerin. Es ist gewissermaßen das Motto für die Ausstellung. Denn in den großen weißen Kabinetten entfaltet die Reduziertheit ihrer geometrisch angelegten Modeschöpfungen, mit denen sie erstmals 1973 in ihrem ersten Prêt-à-porter-Geschäft im Hamburger Stadtteil Pöseldorf auf sich aufmerksam machte, erst ihre ganze Wirkung. Von dort eroberte Jil Sander die Laufstege in Paris, Mailand und New York mit ihren eigenwilligen Schnitten und innovativen Stoffen und Materialien, die ihre Kreationen häufig skulptural wirken lassen. Opulent sind nur die Materialien und ihre exquisite Verarbeitung, nicht aber die Schnitte. Der unverkennbare Jil Sander-Stil eben. Und den zelebriert diese riesige Rauminstallation, die die verschiedenen Bereiche des Sanderschen Schaffens zusammenbringt: Mode und Accessoires, Kosmetik, aber auch Architektur und sogar Gartenkunst.

Zum Auftakt des Rundgangs erleben die Besucher auf drei Bildschirmen eine Modenschau, bei der die Models und die Mode, die sie tragen, aus vielen Perspektiven zu sehen sind. Dazu pulsiert ein futuristischer Klang. Jil Sanders Mode, deren erklärte Lieblings-(Nicht-)Farbe Weiß ist, ist nichts für verspielte, üppig-sinnliche Frauen. Stattdessen: Eigenwillige, androgyne Models wie Eva Evangelista oder blutjunge Männer in körperbetonten Anzügen – Männermode entwirft Jil Sander seit 1997. Zu sehen sind Beispiele ihrer Kampagnenfotografie mit bekannten Modefotografen wie Peter Lindbergh, Nick Knight oder David Sims – in Original-Abzügen und paralell dazu auf großen Leinwänden als Videoinstallationen. Models in der Natur, Details zum Hingucken: hier ein Schuh, dort eine Tasche. Konsequent verzichtet man auf ein Zuviel – und unterstreicht damit den Jil Sander-Stil. Erst gegen Ende des Rundgangs sind dann endlich einige Kreationen zu sehen, spannend arrangiert in Spiegelkabinetten, die unzählige Perspektiven auf die Modelle zulassen. Man staunt über die exquisiten Materialien, die perfekten Nähte, den perfekten Sitz.

Die heute 74-Jährige, die ihre Marke an Prada verkauft hat, hatte auch bei der Architektur ihrer Shops genaue Vorstellungen. Ein Teil der minimalistischen Innenausstattung ihres legendären Pariser Flagship-Stores in der Rue Montaigne, den sie zusammen mit dem amaerikansichen Architekten Michael Gabellini 1993 entwarf, ist in Frankfurt nachgebaut. Ordnung, Struktur, Sinn fürs Detail – selbst im Garten überließ Jil Sander – inspiriert von japanischer, aber auch englischer Landschaftsarchitektur, nichts dem Zufall. Auch das kann man in der Ausstellung sehen.

Alles in allem ist die Schau – die erste Einzelausstellung zu Jil Sander in einem Museum – sehenswert. In ihrer raumgreifenden, geradezu Platz verschwendenden Konzeption spiegelt sie Sanders minimalistischen Stil, der sich über Jahrzehnte an den immer gleichen Gestaltungsprinzipien puristisch-harmonischer Mode orientierte. Modern, zeitlos und bestechend durch ihre schlichte Eleganz, die sicher nicht jedem steht, sind deshalb Jil Sanders Kollektionen. Man muss eben nicht jede Leere füllen wollen.

 Mode von Jil Sander ist elegant – und bequem: Auch Sneakers sind in ihrer Kollektion zu finden.

Mode von Jil Sander ist elegant – und bequem: Auch Sneakers sind in ihrer Kollektion zu finden.

Foto: Ulrich Brenner
 Peter Lindberghs bekanntes Portrait von Jil Sander.

Peter Lindberghs bekanntes Portrait von Jil Sander.

Foto: Peter Lindbergh

Läuft bis 6. Mai. Di/Do-SO 10-18 Uhr. Mi 10-20 Uhr.

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