Ist die Goldmark heute immer noch Gold wert?

Saarbrücken. Als Tagelöhner hatte der Urgroßvater von Michael Müller (der Name wurde geändert, weil der Leser in der Branche beschäftigt ist) gearbeitet und sein Geld bei der Volksbank St. Ingbert auf ein Sparbuch eingezahlt. Am 14. März war das - im Jahr 1922. Schön ordentlich vom Bankmitarbeiter in Sütterlin-Schrift dokumentiert - und später auch umgerechnet

Saarbrücken. Als Tagelöhner hatte der Urgroßvater von Michael Müller (der Name wurde geändert, weil der Leser in der Branche beschäftigt ist) gearbeitet und sein Geld bei der Volksbank St. Ingbert auf ein Sparbuch eingezahlt. Am 14. März war das - im Jahr 1922. Schön ordentlich vom Bankmitarbeiter in Sütterlin-Schrift dokumentiert - und später auch umgerechnet. 22 Goldmark seien die 1500 eingezahlten Mark wert, heißt es.Wie viel allerdings heute dieser Goldmark-Betrag wert sei, fragte sich Müller, als er das Sparbuch gemeinsam mit Inflations-Banknoten von seiner Großmutter geschenkt bekam. Er forschte nach, fand Umrechnungstabellen, nahm eine Verzinsung im unteren Prozentbereich an und kam auf einen fünfstelligen Betrag, den er nun von der Bank1Saar erstattet haben wollte - schließlich war in dem Konto ja kein Auszahlungsvermerk zu finden, und die Bank1Saar war Rechtsnachfolgerin der Volksbank. Doch diese lehnte jede Zahlung ab - und bezog sich dabei auf das Gesetz zum Abschluss der Währungsumstellung von 1975, nach dem Goldmark-Konten ihren Wert verloren hätten. "Das Grundproblem besteht schon darin, dass wir heute wegen fehlender Unterlagen nicht mehr nachvollziehen können, ob vielleicht irgendwann ein Ersatzkonto ausgestellt wurde", sagt Herbert Herget, Sprecher der Bank1Saar. Mit ihrer Ablehnung hat die Bank recht, schreibt die Bundesbank in einer Stellungnahme. Überhaupt sei es ungewöhnlich, dass ein Konto im Jahre 1922 in Goldmark umgerechnet wurde. Denn die Goldmark sei zu keiner Zeit eine Währung gewesen. Vielmehr war sie nur eine Festlegung dafür, dass eine Reichsmark dem Gegenwert von 0,358 Gramm entsprach.

Allerdings hätten entsprechende Goldmark-Klausen bereits im Jahr 1940 (Verordnung über wertbeständige Rechte) ihren Wertsicherungscharakter verloren.

Dass das Sparbuch, ursprünglich in Mark geführt, in Goldmark umgerechnet ist, könne auf eine Aufwertung im Jahr 1925 nach den Inflationen der Jahre 1923 und 1924 sowie der Umstellung auf die Reichsmark zurückzuführen sein, schreibt die Bundesbank. Doch selbst dann hätte das Konto keinen Wert mehr, denn durch das von der Bank1Saar angeführte Gesetz aus dem Jahr 1975 sind sämtliche Reichsmark Konten, die nicht bis Juni 1975 umgestellt waren, erloschen.

Commerzbank und Deutsche Bank gehen auch davon aus, dass solche Konten keinen Wert mehr haben. Allerdings würden die Filialen gerne prüfen, ob noch Ansprüche bestünden, sagt Andrea Michels von der Deutschen Bank.

Christian Molitor vom Sparkassenverband des Saarlandes sieht schon wegen der zwischenzeitlichen Hyperinflationen - mit beispielsweise einer Währungsumstellung im Jahr 1923 zum Kurs von eins zu einer Billion - kaum Chancen, hier noch Ansprüche geltend zu machen. Außerdem seien 1948 alle Sparbücher noch einmal auf einen Wert von 40 DM gekappt worden. Er sagt, dass solche Bücher rechtlich "vor allem historisch-immateriellen" Wert haben. Doch könne es sein, dass einzelne Sparkassen sich da kulant zeigen.

Tatsächlich sagt Rainer Hero von der Sparkasse Merzig, dass das Institut noch alte Kladden über historische Sparbücher führt. "Wir würden da mit dem Kunden eine Lösung finden", sagt er. Und auch die Sparkasse St. Wendel hat laut Christoph Backes ein Archiv, das noch weit in die Vorkriegszeit reicht.

Auch die Bank1Saar hat dem Leser letztlich ein Kulanzangebot gemacht: "Das Konto hat für uns historischen Wert. Deshalb würden wir es dem Kunden gerne abkaufen und in unser Archiv übernehmen", sagt Herget. jwo

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