"Industriebetriebe brauchen Verlässlichkeit"

Völklingen. Große Industriebetriebe an der Saar wie die Saarstahl AG werden niemals in der Lage sein, ihren Strombedarf aus erneuerbaren Energien, speziell der Windenergie, zu decken. Diese Überzeugung vertritt der Vorstandschef der Saarstahl AG, Klaus Harste (Foto: Udo Rau)

Völklingen. Große Industriebetriebe an der Saar wie die Saarstahl AG werden niemals in der Lage sein, ihren Strombedarf aus erneuerbaren Energien, speziell der Windenergie, zu decken. Diese Überzeugung vertritt der Vorstandschef der Saarstahl AG, Klaus Harste (Foto: Udo Rau). Selbst wenn ein dafür nötiger Netzausbau bundesweit gelingen würde, wären die Kosten für die Industrie-Unternehmen immer noch zu hoch, so Harste. Alleine Saarstahl benötige jährlich 700 Gigawattstunden Strom zur Stahlproduktion - mehr als den gesamten jährlichen Strombedarf Völklingens. "Diese Menge benötigen wir konstant, zuverlässig, jedes Jahr", betont Harste im Gespräch mit unserer Zeitung. Gleichzeitig hätten sich die laufenden Energiekosten im Unternehmen von 2004 bis 2008 verdoppelt. Wer den Ausbau erneuerbarer Energien politisch betreibt, müsse Realitäten und Möglichkeiten der Finanzierbarkeit im Auge behalten. Windenergie stehe nicht jederzeit zur Verfügung. "Windenergie fällt auch nicht verlässlich da an, wo der Strom gebraucht wird", kritisiert Harste. Windparks an der Nordsee nutzten dem Saarland nur, wenn Netze verfügbar sind, um die Windenergie zuverlässig und jederzeit zum Endkunden zu transportieren. Alleine Genehmigungsverfahren zum Netzausbau dauerten Jahrzehnte. Auch müsse der Netzausbau bezahlbar bleiben.Schon für die Nutzung des bestehenden Strom-Netzes bezahle Saarstahl jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag. Bereits eine Erhöhung des Strompreises um 0,1 Cent bringe eine jährliche Mehrbelastung von einer Million Euro. Die von der Bundesregierung verfolgte Subventionspolitik, Unternehmen im Rahmen des erneuerbaren Energien-Gesetzes am Ausbau dieser Energieformen zu beteiligen, führe trotz Härtefallregelung für die energieintensive Industrie zu jährlichen Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe. "Die finanziellen Belastungen zum Ausbau regenerativer Energien kann die Industrie nicht tragen. Sie wird dadurch auch im internationalen Wettbewerb benachteiligt", argumentiert Harste. Das Geld wegen höherer Strom- und Energiekosten fehle Saarstahl für Investitionen. Die deutsche Energiepolitik gefährde tausende Arbeitsplätze in Industrie-Betrieben. Alleine in der stahlverarbeitenden Industrie arbeiteten 3,5 Millionen Menschen, die ein Drittel des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) erwirtschafteten. "Den Poltikern sind die Folgen ihres Handelns bekannt. Wenn man so Politik betreibt, muss man mit Änderungen in der industriellen Landschaft rechnen. Es besteht die Gefahr, dass bestimmte Industriezweige aus Deutschland in Länder mit weniger strikten Standards abwandern", warnt Harste. Vom Land, speziell Ministerpräsident Peter Müller, sieht sich Saarstahl unterstützt. Für Umweltministerin Simone Peter, die bis 2020 zwanzig Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken will, komme "die Stunde der Wahrheit, wenn es um die Genehmigungsverfahren für Windkraft-Parks geht. Keiner, auch nicht die Befürworter solcher Anlagen, will im Umfeld solcher Anlagen wohnen", sagt Harste. Weiter erschwert werde die Wettbewerbsfähigkeit durch die von der EU beschlossene weitgehende Versteigerung von C02-Zertifikaten ab 2013. Hierdurch würden die Strompreise weiter steigen.Zudem entstehe bei der Umwandlung von Erz zu Stahl wegen chemischer und physikalischer Gesetze unvermeidbar C02. Seriöse Alternativen in der Produktion existierten nicht (siehe Hintergrund). Insgesamt würden deutschen Stahl-Betrieben umweltpolitisch immer mehr Fesseln angelegt, obwohl deutsche Umweltstandards schon die schärfsten in Europa seien. Gleichzeitig erhöhe die weltweite Konkurrenz stark ihre Importe nach Deutschland. Schon 40 Prozent des Stahlverbrauchs würden nach Deutschland importiert. Dies bedeute im Umkehrschluss: "Für diesen Bereich ist die deutsche Stahlindustrie schon nicht mehr wettbewerbsfähig."

HintergrundZwei unterschiedliche Verfahren der Stahlherstellung existieren heute, die beide im Saarland angewendet werden. Im einen Verfahren wird der Stahl aus den Grundstoffen Eisenerz und Kohle hergestellt. Im Erz liegt das Eisen nicht in reiner Form, vor, sondern ist an Sauerstoff gebunden. Kommt das sauerstoffhaltige Erz im Hochofen mit dem Kohlenstoff aus der Kohle in Kontakt, geht der Sauerstoff auf den Kohlenstoff über. Ergebnisse dieser chemischen Reaktion sind das Roheisen und das in diesem Prozess unvermeidbare Kohlendioxid C02. Im anderen Verfahren wird bereits einmal hergestellter Stahl recycelt. Im Elektrolichtbogenofen wird der Schrott mit elektrischer Energie in einer Art gigantischem Kurzschluss eingeschmolzen. Wegen dieser besonderen Arbeitsweise benötigt der Elektroofen eine kurzschlussfeste und sichere Stromversorgung. C02 entsteht in diesem Verfahren in erster Linie indirekt bei der Stromerzeugung. red

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