Gesünder leben Warum zeitweises Fasten das Leben verlängert

Saarbrücken · Regelmäßiges Fasten hat einen lebensverlängernden Effekt, den kein Medikament schafft. Abzunehmen ist nicht das Ziel, jedoch ein willkommener Nebeneffekt.

 Die bekannteste Therapie beim Heilfasten ist die Buchinger-Methode. Dabei wird einige Tage lang auf feste Nahrung verzichtet. Erlaubt sind nur Obst- und Gemüsesäfte sowie Gemüsebrühen. Gesunde Menschen können zur Prävention auch zu Hause heilfasten.

Die bekannteste Therapie beim Heilfasten ist die Buchinger-Methode. Dabei wird einige Tage lang auf feste Nahrung verzichtet. Erlaubt sind nur Obst- und Gemüsesäfte sowie Gemüsebrühen. Gesunde Menschen können zur Prävention auch zu Hause heilfasten.

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„70 Prozent aller chronischen Erkrankungen haben heute mit ihre Ursache in einer falschen Ernährung“, sagt Dr. Andreas Michalsen. Er ist Professor für Klinische Naturheilkunde an der Berliner Universitätsklinik Charité und Chefarzt für Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus Berlin. „Was uns krank macht, ist aber keine Mangel- oder gar Unterernährung, sondern das Überangebot an Lebensmitteln, das ständige Essen.“

Stoffwechsel überfordert Michalsen betont, dass unser Stoffwechsel durch die permanente Nahrungszufuhr „auf dramatische Weise überfordert“ sei. Seit Jahrzehnten wird darüber diskutiert, was wir essen. Jetzt wird immer deutlicher, dass es auch wichtig ist, wann und wie oft wir essen.

Ganz offensichtlich essen viele Menschen heutzutage zu oft und zu viel. Zum Frühstück gibt es meist Brot oder Brötchen mit Marmelade oder Honig, dazu gesüßten Kaffee. Um 10 Uhr gönnt man sich ein zweites, kleines Frühstück. Und schon wenig später folgt das Mittagessen. Gegen 15 Uhr wird in der Pause meist etwas Süßes geknabbert. Und beim Abendessen halten sich die meisten nicht zurück. Zum Fernsehabend gehören dann noch Schokolade oder Chips. „So kommen sechs bis sieben Mahlzeiten am Tag zusammen, den gesüßten Kaffee, die süßen Getränke und den Alkohol gar nicht mitgerechnet“, sagt Michalsen.

Daher haben schon viele Menschen ein „Fresskoma“ durchlebt: Nach einem schweren Mahl ist man alles andere als energiegeladen und geistig wach.

Am Salk Institute für biologische Studien in San Diego in Kalifornien, einer Forschungseinrichtung von Weltruf, hat Professor Dr. Satchidananda Panda, ein Pionier der Fastenforschung, ermittelt, dass Amerikaner im Durchschnitt sieben bis neun Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen. Viele essen über 16 bis 18 Stunden hinweg. Panda nennt das ein „verirrtes Essverhalten“. Der permanente Überschuss an Kalorien führt zu Übergewicht und Erkrankungen.

Besser als Medikamente In den letzten 20 Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dass alle Organismen, die regelmäßig fasten, ihre Lebensdauer um 20 bis 30 Prozent verlängern können. Heute weiß man, dass auch beim Menschen regelmäßiges Fasten den Stoffwechsel deutlich verbessern kann. „Diesen lebensverlängernden Effekt schafft kein Medikament“, sagt Michalsen.

Sowohl Heilfasten als auch intermittierendes, das heißt stunden- oder tageweises Fasten sind sehr wirksam bei der Behandlung zahlreicher Krankheiten. Zudem beugt Fasten vielen gesundheitlichen Beschwerden vor. Fasten kostet wenig Geld und ist für die meisten Menschen gut verträglich.

Zu Hause fasten Gesunde Menschen können durchaus auch allein zu Hause fasten. Entscheiden sie sich für ein Heilfasten, empfiehlt Andreas Michalsen, mindestens fünf, höchsten jedoch zehn Tage zu fasten. In der Fastenklinik seien unter ärztlicher Aufsicht bis zu 21 Tage möglich. Ein Körper könne „mühelos“, wie Michalsen betont, bis zu vier Wochen fasten, ohne dass irgendein Vitaminmangel entstehe.

Beim Heilfasten wird auf feste Nahrung verzichtet. Um einem Abbau von Muskelmasse vorzubeugen, sind jedoch kleine Kalorienmengen in Form von Säften und Gemüsebrühen erlaubt. Zweimal am Tag gibt es 100 bis 150 Milliliter Obst- oder Gemüsesaft, darüberhinaus so viel Wasser oder ungesüßten Tee, wie man will.

Heilende Wirkung Weder das Heilfasten noch das Intervallfasten haben eine klar festgelegte oder wissenschaftlich definierte Standarddauer. Andreas Michalsen rät, zwei- bis viermal im Jahr mindestens fünf bis maximal 28 Tage am Stück heilzufasten.

Bei der Buchinger-Methode, der in Europa am häufigsten eingesetzten Fastentherapie, werden täglich 200 bis 300 Kilokalorien in Form von Fruchtsäften und Gemüsebrühen aufgenommen. Maximal sind es 500 Kilokalorien. Auf feste Nahrung wird ausdrücklich verzichtet, denn Kauen kann möglicherweise Hungergefühle auslösen.

Bewegung tut gut Viele Menschen können während des Fastens problemlos weiterarbeiten. In Fastenkliniken geht eine Kur in der Regel mit Bewegungstherapien und Entspannungsverfahren einher, denn diese steigern die therapeutische Wirkung, sind aber keine zwingenden Voraussetzungen für den Erfolg.

„Fasten heißt keineswegs zu hungern“, sagt Andreas Michalsen. „Das ist ein großes Missverständnis. Das zeigt sich beim Heilfasten, der am längsten etablierten Form des Fastens, immer wieder. „Beim Buchinger-Heilfasten verspüren die meisten Menschen nach dem ersten oder zweiten Tag keinen oder nur wenig Hunger“, berichtet Michalsen.

Das Eingeweidefett schmilzt Wenn wir fasten, wird zunächst der in der Leber gespeicherte Zucker aufgebraucht. Nach heutigem Stand des Wissens dauert es bei Männern 16 bis 24 Stunden, bis dieser sogenannte Glykogenspeicher leer ist, bei Frauen 14 bis 20 Stunden. Danach beginnt der Organismus mit dem Fettabbau, um sich neue Energie zu verschaffen.

Erfreulicherweise wird vorrangig zunächst das entzündungsfördernde Eingeweidefett, das sich in und um die inneren Organe angesammelt hat, abgebaut. Die daraus gewonnen Fettsäuren liefern Energie. Die meisten Gewebe im Körper nutzen sie direkt.

Treibstoff fürs Gehirn Nur das Gehirn bildet eine Ausnahme. Fettsäuren können die Blut-Hirn-Schranke, die das Eindringen schädlicher Stoffe verhindern soll, nicht passieren. Doch in der Leber werden im Hungerzustand aus den Fettsäuren sogenannte Ketone gebildet. Sie stellen die Energieversorgung des Gehirn sicher. Man weiß inzwischen, dass die Ketone die Gehirngesundheit sogar fördern können. „Bei neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose, Parkinson und sogar Demenz bringen sie oft Besserung“, berichtet Michalsen.

Willkommener Nebeneffekt Beim Fasten geht es nicht in erster Linie um eine Gewichtsabnahme. Sie ist ein willkommener Nebeneffekt. In einer Studie, die Michalsen mit 30 übergewichtigen Frauen durchführte, hatte jede Teilnehmerin nach einer Woche Fasten im Schnitt sechs Kilogramm abgenommen.

Beim Fasten wird zunächst einmal viel Wasser ausgeschieden. Der Wegfall von Salz beim Essen, der Anstieg entwässernder Hormone und der niedrigere Insulinspiegel führen zu Wasserverlust. Insulin bewirkt, dass Salz und Wasser in den Nieren zurückgehalten werden.

Ab dem ersten Fastentag wird sehr viel Natrium ausgeschieden, das im Körper eingelagerte Flüssigkeit mit sich nimmt. Wassereinlagerungen in den Beinen, Schwellungen in den Händen oder auch ein aufgedunsenes Gesicht minimieren sich. Bei Patienten, bei denen Wassereinlagerungen ein medizinisches Problem bedeuten, kann der Gewichtsverlust in einer Woche bis zu zehn Kilogramm betragen.

Isst man wieder normal, wird ein Teil des Wassers wieder eingelagert, vor allem wenn man wieder gesalzene Speisen bevorzugt. Viele nutzen nach dem Fasten wegen ihres verbesserten Geschmacksempfindens weniger Salz. Um nach dem Fasten das niedrigere Gewicht dauerhaft zu halten, sind ohnehin eine gesündere Ernährung und regelmäßige Bewegung erforderlich.

 Buchcover. Andreas Michalsen: Mit Ernährung heilen

Buchcover. Andreas Michalsen: Mit Ernährung heilen

Foto: Insel-Verlag
 Sowohl das Heilfasten als auch das Intervallfasten lindern zahlreiche gesundheitliche Beschwerden. Eine Gewichtsreduktion ist nicht das Ziel, jedoch in den meisten Fällen ein willkommener Nebeneffekt.

Sowohl das Heilfasten als auch das Intervallfasten lindern zahlreiche gesundheitliche Beschwerden. Eine Gewichtsreduktion ist nicht das Ziel, jedoch in den meisten Fällen ein willkommener Nebeneffekt.

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Der Ernährungsmediziner Professor Dr. Andreas Michalsen hat zusammen mit der Ärztin und Medizinjournalistin Dr. Suzann Kirschner-Brouns das Buch „Mit Ernährung heilen“ geschrieben. Es ist unter den zahlreichen Büchern zum Thema Ernährung und Fasten eines der besten. Es präsentiert den neuesten Stand der Forschung und klinischen Ernährungsmedizin. Die Autoren beschreiben die Wirkungen verschiedener Arten von Ernährung auf die Gesundheit und widmen sich auch den unterschiedlichen Formen des Fastens. Andreas Michalsen: Mit Ernährung heilen. Neuestes Wissen aus Forschung und Praxis, Insel-Verlag, 368 Seiten, 24,95 Euro

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